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2. Mai 2023: Rest and be Thankful

Nach einem Ball, einem Themenabend, drei Wochen Osterferien und einem Rhein-Main-Mini-Social ist es höchste Zeit, dass der normale Unterrichtsbetrieb wieder anfängt. Schließlich gibt es Ballprogramme zu üben und auch neue Tänzer:innen wollen integriert werden.

Von denen hatten sich für heute abend immerhin vier angesagt – gekommen ist schließlich nur eine, nämlich Conny, die heute früh per E-Mail gefragt hatte, ob sie mitmachen darf. Diese Sorte Spontaneität gefällt uns! Trotzdem (oder deswegen?) tanzen wir heute, jedenfalls im ersten Teil des Abends, ein einsteigerfreundliches Programm.

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Nach dem üblichen Aufwärmen und der schnellen Vornamens-Runde geht es los mit The Haymakers. Dieser Tanz stammt offensichtlich aus der weitläufigen Verwandtschaft des Virginia Reel und seine Wurzeln reichen bis ins 17. Jahrhundert zurück. Er ist auch unter dem Namen Sir Roger de Coverley bekannt, und wer mehr darüber wissen will, wie der Tanz im 19. Jahrhundert getanzt wurde, kann das hier nachlesen. Für routinierte Schottentänzer:innen ist der Tanz wegen Running Step und doch eher einfach gestrickten Figuren keine echte Herausforderung, aber wer zum ersten Mal dabei ist, wird zumindest nicht gleich am Anfang komplett überfordert … Wir haben “nur” zwei Drei-Paar-Sets, aber das macht gar nichts: Aktiv sind die meiste Zeit lediglich die Endpaare, und ob zwischen diesen nun zwei Paare rumstehen oder nur eins, ist nicht so der Unterschied. (Als Schmankerl am Rande: Witherspoon schrieb 1894, “Es ist ein Fehler, zu viele Paare in der Reihe zu haben, die Zahl, die dem allgemeinen Vergnügen am förderlichsten ist, ist acht.” Wie das funktionieren soll, ist mir ein Rätsel, und für die sechs Paare dazwischen ist der Tanz wahrscheinlich weniger das “Vergnügen”, sondern eher die geistreiche Konversation mit dem Partner auf der anderen Seite des Sets – selbst wenn die relativ laut sein müsste, um noch hörbar zu sein, aber genug Zeit gibt es ja. Was wohl Elizabeth Bennet und Mr. Darcy dazu zu sagen hätten?)

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Als nächstes üben wir eine Runde Skip-Change of Step und die wesentlichen Figuren des nächsten Tanzes: Drehungen in 4 Takten und Right hands across/Left hands back. Damit sind wir auch gut vorbereitet auf January Welcome (auch wenn wir damit vier Monate zu spät dran sind), einen Tanz von Louis Torfason, in der Szene nur unter dem Namen “Torf” bekannt. Torf war ein Tanzlehrer aus Texas, dessen joviale Art ihn sehr beliebt machte und der dem Vernehmen nach vor allem ein Händchen für Anfänger:innen hatte. Leider ist er im Juli 2018 verstorben. – Der Tanz eignet sich aber sehr gut für den Einstieg, da er nur aus sehr einfachen Elementen besteht und mit diesen auch nicht überfrachtet ist. Die Zwei-Paar-Progression ist mitunter Herausforderung genug! Veröffentlicht wurde January Welcome in Let's All Dance Too, einer Sammlung von einfachen Tänzen, die von Jo Hamilton und Susie Langdon Kass herausgegeben wurde – eine Fundgrube für Abende wie diesen!

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Mit zwei Drei-Paar-Sets ist es bei Vier-Paar-Tänzen auf dem Programm natürlich gut, wenn die auch im Drei-Paar-Set funktionieren, so wie The Haymakers. Ein anderer Tanz, für den das gilt, ist Jessie Hamiltons The Dhoon, publiziert von der RSCDS in
The Dhoon, auf der Admiralitätskarte Nr. 1344 von 1960
The Dhoon, auf der Admiralitätskarte Nr. 1344 von 1960
Scottish Country Dances for Children. Auch hier kann man mühelos ein Paar weglassen, ohne dass der Tanz wirklich darunter leidet. Wir üben vorab ein bisschen Slip Step und Kreise und stürzen uns dann gleich auf den Tanz selbst – die Herausforderung hier ist, die Figuren lückenlos aneinanderzusetzen, denn dann “fließt” der Tanz und man muss gar nicht so viel nachdenken! Kunstpausen zwischen den Figuren sind dagegen eher störend. – “The Dhoon” ist eine sandige Bucht in der Nähe von Kirkcudbright (einer der tückischeren schottischen Ortsnamen, man spricht es “Kör-kuh-brie” aus), angeblich sehr beliebt bei Kindern. Danach: Die wohlverdiente Pause!

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Nach der Pause – die Fortgeschrittenen sind inzwischen unter sich – befassen wir uns mit Tänzen vom Bonner Ballprogramm am 3. Juni, zunächst einem modernen Klassiker, Roy Goldrings Strathspey The Lammermuir Hills. Mehr oder weniger ein typisches Beispiel für Roys Talent, aus einfachen Figuren eine interessante Choreografie zusammenzusetzen, ist dieser Tanz ein gern gesehener Bestandteil vieler Ballprogramme
In den Lammermuir Hills
In den Lammermuir Hills (Renata, gemeinfrei)
(in Frankfurt zuletzt auf dem 43. Spring Ball 2011). Wobei oft gerade die einfach anmutenden Tänze von Präzision beim Tanzen leben! Hier verdienen natürlich vor allem Poussette und Knot etwas Zuwendung, aber auch der Mittelteil profitiert von genauer Phrasierung und Covering – dann sieht der Tanz auch bei einem Auftritt gut aus. Die Lammermuir Hills sind südöstlich von Edinburgh und trennen East Lothian von den schottischen Borders; ihre höchste Erhebung ist der Meikle Says Law mit 535 m ü. NN.

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Von den Hügeln im Süden Schottlands geht es weiter in die Berge: Lara Friedman-Shedlov aus Minneapolis, USA, hat den Tanz Snow on the Mountain 2003 geschrieben, um den Roman The White Rose of Scotland von Audrey McClellan zu illustrieren, dem zweiten Band in einer Trilogie von Liebesromanen, die auf der fiktionalen Insel Eilean Dubh angesiedelt sind. Der Tanz ist relativ dynamisch, nicht zuletzt durch die “Petronella Double Triangles”, manchem eventuell bekannt aus dem Pinewoods Reel (der vor einer Weile relativ oft auf Bällen getanzt wurde, aber anscheinend wieder in der Versenkung verschwunden ist – vielleicht eine Idee für den nächsten Frankfurter Ball?)

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Noch ein moderner Klassiker ist John Drewrys Reel, The Peat Fire Flame, aus dem Bon Accord Book von 1968. “The Peat Fire Flame” ist eigentlich ein traditionelles Lied, vermutlich von den Hebriden (jedenfalls wurde da genug Torf verbrannt) – siehe hier für die gängige englische Übersetzung des ursprünglich gälischen Texts und eine gesungene Version von den Corries. Wie alle 40-Takt-Tänze auf traditionelle Lieder tut The Peat Fire Flame sich etwas schwer mit dem Text (vgl. Mairi's Wedding), aber die – kalifornischen – Musiker, denen wir unsere Aufnahme verdanken, stellen sich geschickt damit an, Instrumental- und Gesangsteile abzuwechseln. Etwas trickreich ist hier die Progression im 3-Paar-Set, weil das 2. Paar gleich am Anfang aufrücken soll; wir ziehen uns damit aus der Affäre, auf die letzten vier Takte jedes Durchgangs das 3. Paar eine schnelle Drehung in zwei Takten und einen Cast Up tanzen zu lassen, damit das 1. Paar sich in der Mitte nach unten in den dritten Platz bewegen kann. (Man muss sich nur zu helfen wissen.)

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“Rest and Be Thankful”-Gedenkstein
“Rest and Be Thankful”-Gedenkstein (Anselm Lingnau, CC BY-SA 4.0)
Seinen krönenden Abschluss findet der Tanzabend dann mit Rest And Be Thankful aus der Grampian Collection of Scottish Country Dances von Jack McConachie. Für diesen Tanz einigermaßen idiosynkratisch ist die Mittelfigur, bei dem das tanzende Paar seine Corners abholt und halb ums Set “promeniert”, während die anderen beiden Corners Advance & Retire tanzen (um Platz zu machen). Vor allem das erste Paar muss weite Strecken tanzen, so dass Ruhe und Dankbarkeit sicher kein Problem sind – aber erst nach dem Schlussakkord! “Rest and Be Thankful” ist tatsächlich der Name eines Passes durch die Arrochar-Alpen zwischen Loch Fyne und Loch Long im Westen von Schottland. 1753 wurde dort eine Militärstraße gebaut, die auf dem Talboden des Glen Croe verlief und an dessen Ende steil anstieg zum Pass, dessen Passhöhe dann zum Verschnaufen einlud – ein Stein mit der entsprechenden Inschrift wurde dort aufgestellt, ist aber seitdem verfallen (unser Bild zeigt den Ersatz, auch schon nicht mehr ganz taufrisch). Heutzutage führt über den Pass die A83 von Tarbet am Westufer des Loch Lomond nach Campbeltown am Südende der Halbinsel Kintyre; diese Straße steigt im Glen Croe entlang der Südflanke des Beinn Luibhean kontinuierlich an und hat daher nicht ganz denselben Effekt wie die alte Militärstraße. In den vergangenen Jahren gab es immer mal Probleme mit Erdrutschen, die die Straße teils für längere Zeit blockierten und weite Umwege nötig machten.

#NameTypeSetSource
1The HaymakersJ484/4LRSCDS II
2January WelcomeJ322/4LTorfason: Let's All Dance Too
3The DhoonJ324/4LHamilton: RSCDS Children
4The Lammermuir HillsS322/4LGoldring: Auld Friends Meet
5Snow on the MountainJ323/4LFriedman-Shedlov
6The Peat Fire FlameR403/4LDrewry: Bon Accord
7Rest And Be ThankfulR323/4LMcConachie: Grampian

Text: Anselm Lingnau · Fotos: wie angegeben