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30. Mai 2023: Mit allem und Schaf!

Heute ist Rowan das Schaf nochmal zu Gast, und wir machen einen neuen Anlauf auf Rowans Tanz! Außerdem: Pas de basque satt und Bergiges von Applecross bis Schiehallion.

Wie üblich beginnen wir den Abend mit dem gemeinsamen Aufwärmen – wir begrüßen Dörte als neue Mittänzerin – und einem Ceilidh-Tanz, heute dem Military Two Step. Dieser ist einer der schnellsten gängigen Ceilidh-Tänze und wir probieren eine neue Aufnahme aus, nämlich von der CD The Dark Island von Simon Howie und seiner Band (danke Meinhard). Ein nettes Stück (“The Regiment”) und vielleicht nicht ganz so fetzig wie die Aufnahme von Tom Orr und seiner Band von der RSCDS-Commonwealth-Ceilidh-CD, aber auch nicht zu verachten! Benutzen wir gerne wieder.

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Nach diesem schwungvollen Reinkommen ist es Zeit für Schritttechnik: Wir üben den pas de Basque und untermauern das gleich mit dem Tanz Bonnie Geordie's Wig aus Miss Milligan's Miscellany of Scottish Country Dances. Wie bei den meisten Tänzen aus dieser Sammlung, herausgegeben von der Mitgründerin der RSCDS, ist seine Provenienz höchst unklar, aber das macht ihn nicht weniger nützlich, um den pas de Basque zu üben – das “Set twice” läßt Zeit zum Nachdenken, und andere schwierige Figuren sind zum Glück nicht beteiligt. Die Musik stammt übrigens von Jim Lindsay und seiner Band – außer einer Dudelsackversion von Bill Clement, die nicht das offiziell vorgeschlagene Musikstück verwendet, ist das die einzige, die es gibt (auf der RSCDS-CD für Buch 49).

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Espie McNabb ist ein weiterer Tanz aus “Miss Milligan’s Miscellany” – ebenfalls einfach und überschaubar und gut zum Üben des Setting-Schritts zu gebrauchen. Wir wissen nicht genau, wer die Dame war, die dem Tanz ihren Namen verliehen hat, denn wir kennen sie eigentlich nur aus einem Lied von Robert Burns von 1791, das uns über James Johnson’s The Scots Musical Museum, Band 4 (1792) überliefert ist. Wie bei vielen Werken von Burns handelt es sich dabei eigentlich um ein älteres Lied, das der schottische Nationaldichter für die höfliche Gesellschaft “entschärft” hatte. Jeannie Callander Sharp zitiert in ihrer unveröffentlichten Monografie Scotland Dances die erste Strophe des Originals:

O saw ye my Eppie McNab, McNab?
O saw ye my Eppie McNab, McNab?
She’s down i’ the yeard, she’s kissen the laird,
As whilom’s wi’ honest Jock Rob, Jock Rob.

und verweist darauf, dass es in den nächsten drei Strophen “inhaltlich steil bergab” geht. Breiten wir also den Mantel des Schweigens über den Text und konzentrieren uns auf den Tanz.

Wie angekündigt steht heute der zweite Anlauf für den Tanz Rowan's Welcome auf dem Programm – speziell geschrieben für den Besuch des berühmten Schafs bei uns hier in Frankfurt. Wir üben den Tanz in zwei Drei-Paar-Sets und filmen anschließend im typischen RSCDS-Stil “zwei Durchgänge plus acht Takte” mit einem “Demonstration-Set”. Rowan tanzt natürlich mit! Beim Anschauen in der Kamera klingt der Ton sehr übersteuert, so dass wir die Aufnahme zur Sicherheit wiederholen – zu Maries Ärger biegt sie dabei als tanzende Dame einmal falsch ab, aber glücklicherweise zeigt sich daheim am Computer, dass auch beim ersten “Take” der Ton in Wirklichkeit völlig in Ordnung war, und wir bleiben letztendlich bei dieser Version (nebenstehend). Nur echt mit dem “MÄÄÄH” auf Takt 30!

Die Musik im Video wird gespielt von dem australischen Duo Chris Duncan (Geige) und Catherine Strutt (Klavier) – ein Reel des berühmten schottischen Geigers Alasdair Fraser. Endgültig ist diese Auswahl nicht (eigentlich würde Rowan eigene Musik verdienen), aber für den Moment sicher gar nicht falsch.

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Nach der Pause haben wir noch ein größeres Projekt vor: Auf dem Bonner Ball steht, wie beim Motto “Der Berg ruft” vermutlich unvermeidbar, Hugh Thurstons Tanz Schiehallion – ein Medley aus Strathspey und Reel, je 64 Takte, und interessant strukturiert: Ein “Chorus” (Refrain) wechselt sich mit verschiedenen Figuren ab. Chorus und Figuren sind jeweils 16 Takte lang, wir haben also im Strathspey- wie im Reel-Teil jeweils zweimal den Chorus und jeweils zwei Figuren. Ursprünglich (in den 1950ern) bestand der Tanz aus den beiden Chorussen (Chori?) – langsam und schnell – und einer größeren Auswahl von Figuren, aus denen die Tänzer:innen sich von Fall zu Fall ihre Favoriten aussuchen sollten. Das kam auf Dauer aber nicht gut an, so dass Hugh Thurston Anfang der 1970er eine Version von Schiehallion veröffentlichte, bei der vier der beliebteren Figuren fest vorgegeben waren. Das ist die Version, die heute getanzt wird.

Durch Highlandschritte und ungewöhnliche Figuren ist Schiehallion nicht ganz anspruchslos, aber dennoch ein “moderner Klassiker”. Vor allem die Abschlussfigur, der Reel of eight (laut Originalbeschreibung) hat als Schiehallion Reel Eingang in viele andere Tänze gefunden.

Schiehallion (von Westen)
Schiehallion (von Westen)
Schiehallion ist ein Berg in Perth und Kinross, nordwestlich von Aberfeldy zwischen den Seen Loch Tay, Loch Rannoch und Loch Tummel, und mit 1083 m Höhe offiziell ein “Munro”. Er hat eine nahezu perfekte Kegelform, ist entgegen landläufiger Ansicht aber kein erloschener Vulkan, und ist einigermaßen problemlos zu besteigen; die Aussicht lohnt sich. Außerdem liegt sein Gipfel fast genau auf dem Breitengrad in der Mitte zwischen dem nördlichsten und südlichsten Punkt und dem Längengrad in der Mitte zwischen dem westlichsten und östlichsten Punkt des schottischen Festlands und könnte so als “Mitte Schottlands” gesehen werden. (Allerdings gibt es das Argument, dass die Insel Skye seit der Eröffnung der Brücke 1995 zum “Festland” zählt, was alles durcheinanderbringt.)

1774 wurde der Schiehallion für ein interessantes Experiment benutzt, bei dem es darum ging, die Dichte der Erde abzuschätzen, indem man die Ablenkung eines Pendels von der Vertikalen durch die von der Masse des Bergs ausgeübte Schwerkraft misst. Der Ablenkungswinkel hängt von der relativen Dichte und dem Rauminhalt des Bergs und der Erde ab, und da man dank der Kegelform des Schiehallion seinen Rauminhalt und seine Dichte relativ einfach näherungsweise bestimmen kann, ließ das einen Rückschluss auf die Dichte der Erde – und von da auf die Dichte der anderen Planeten und der Sonne – zu. Auch die exponierte Lage des Bergs half, weil dadurch Störeinflüsse anderer Massen (Berge) minimiert wurden. Das Experiment wurde vom englischen Astronomen Charles Mason (1728–1786) vorgeschlagen und von einer Kommission unter der Leitung von Nevil Maskelyne (1732–1811), dem königlichen Astronomen, durchgeführt. (Ein ähnliches Experiment hatten bereits 1738 Pierre Bouguer und Charles Marie de la Condamine am Vulkan Chimborazo in Ecuador in Angriff genommen, das wegen der widrigen Verhältnisse dort aber wenig aussagekräftig war. Immerhin zeigte es, dass die Erde nicht hohl sein konnte, was damals durchaus noch von Wissenschaftlern behauptet wurde.)

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Nach dem etwas langwierigen Schiehallion war immerhin noch Zeit für einen weiteren Tanz – mit den drei verbliebenen Paaren entscheiden wir uns unter den verbliebenen Tänzen des Bonner Ballprogramms für A Trip to Applecross aus dem RSCDS-Buch 50 mit Tänzen aus dem Tanz-Erfindungs-Wettbewerb des Londoner Spring Fling 2015. Dies ist ein lustiger Tanz von Nicola Scott (der wir auch den Tanz City Lights aus Buch 52 verdanken): Eigentlich ein Zwei-Paar-Tanz in einem Drei-Paar-Set, ist der Anfang des zweiten Durchgangs offiziell verschieden von dem des ersten Durchgangs – beim ersten Mal tanzt die Dame um den Herrn und es folgt eine men’s chain, beim zweiten Mal tanzt der Herr um die Dame und es kommt eine ladies’ chain. Die zweite Hälfte ist aber bei beiden Durchgängen gleich.

Die Straße nach Applecross
Die Straße nach Applecross
Blick vom Bealach na Bà zur Insel Skye
Blick vom Bealach na Bà zur Insel Skye
Applecross ist eine Halbinsel nordwestlich von Kyle of Lochalsh, gegenüber den Inseln Raasay und Skye. Das Areal ist extrem unzugänglich und war bis Anfang des 19. Jahrhunderts nur per Boot zu erreichen, ab 1822 über eine abenteuerliche einspurige Straße über den Bealach na Bà (“Rinderpass”), den dritthöchsten Gebirgspass in Schottland. Die Straße war zunächst nur geschottert und wurde erst 1950 geteert; sie hat den steilsten Anstieg aller Straßen im Vereinigten Königreich – auf nur knapp 6 km Strecke von Meereshöhe beim Ort Applecross bis zur Passhöhe bei 626 m. Von der Passhöhe hat man bei gutem Wetter eine grandiose Aussicht zur Insel Skye. Seit 1975 gibt es als Alternative eine langgezogene Küstenstraße in Richtung Norden, die ohne nennenswerte Steigungen auskommt. Die Straße über den Bealach na Bà war auch Inspiration für andere Tanz-Erfinder, etwa Barry Priddey mit The Road to Applecross.
#NameTypeSetSource
1Military Two StepX161RRFinnigan: Guide (ex-Collins)
2Bonnie Geordie's WigR322/4LMMM
3Espie McNabbJ323/4LMMM
4Rowan's WelcomeR323/4LLingnau
5SchiehallionM1284SThurston: RSCDS LIII
6A Trip to ApplecrossR322/3LScott: RSCDS 50

Text und Fotos: Anselm Lingnau