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6. Juni 2023: Widder und Wallabies
Nach dem Bonner Ball haben wir wieder freie Valenzen für die
Programmgestaltung – diese Woche vor allem einfache,
einstiegsfreundliche Tänze, aber mit Pfiff. Ein Strathspey für
die Fortgeschrittenen darf jedoch auch nicht fehlen –
genausowenig wie Rowan das Schaf, das heute seine Abschiedsvorstellung
in Frankfurt gibt.
Unser Ceilidh-Tanz nach dem Aufwärmen – und der Begrüßung von Sandra
und Jörg, die das erste Mal dabei sind – ist der Virginia Reel, immer wieder beliebt nicht nur wegen seiner fetzigen
Musik (bei uns von Iain MacPhail und seiner Band von der RSCDS-CD mit
Music for the Commonwealth Ceilidh), sondern weil er gerade
für neue Tänzer:innen einige Konzepte illustriert, die der Lehrer
sonst aufwendig erklären müsste – Drehungen, Solo fürs erste Paar,
Progression, … Der Virginia Reel ist typisch für eine ganze Klasse
von Tänzen, die nach einem ähnlichen Strickmuster aufgebaut sind
(siehe zum Beispiel auch The Haymakers vom
2. Mai), und es ist nicht abwegig, dass er es von
England über den Atlantik geschafft hat und wieder zurück.
Wir üben etwas Skip-Change of Step und nähern uns dann über Advance
and Retire, Back to Back, Rights and Lefts, Hands Across und
dem Kreis zu viert (Four Hands Round and Back) dem Tanz Busy Ann von Marilyn Watson. Marilyn kommt aus Südengland und ist eine
angesehene RSCDS-Lehrerin und -Prüferin, die einige
FSCDC-e.V.-Mitglieder sicherlich von der Summer School in St. Andrews
kennen; sie hat viel mit Kindergruppen gearbeitet und die
Stepping Out 1-Bücher, aus deren 1. Band dieser
Tanz stammt, enthalten viel dafür sinnvolles Material. Wir wissen
nicht, wer Ann ist oder war, aber zumindest ihr Tanz hält sie
beschäftigt!
Moffat ist eine Kleinstadt in den schottischen Borders, etwa je 100 km
südöstlich von Glasgow und südwestlich von Edinburgh. Lange Zeit
spielte der Ort eine wichtige Rolle im Wollhandel, und noch heute
erinnert der Moffat Ram, die bronzene Statue eines Widders, auf dem
Marktplatz von Moffat an diese glorreiche Vergangenheit. (Rowan das
Schaf ist sehr angetan.)
Der Moffat-Widder (Andrew Bowden, CC BY-SA 2.0)
Die Statue wurde 1875 vom lokalen
Geschäftsmann William Colvin gestiftet, der den berühmten schottischen
Bildhauer William Brodie mit der Ausführung betraute. (Brodies
bekanntestes Werk ist vermutlich die Statue von Greyfriars Bobby in
Edinburgh.) Der Vierbeiner auf seinem Sandsteinsockel in Moffat
hat ein eindrucksvolles Fell und prachtvolle
Hörner, eine anatomische Macke sorgte allerdings für Aufsehen: Der
Sage nach rief bei der Enthüllung der Statue ein örtlicher Farmer “Der
hat ja keine Ohren!”, was Brodie ob dieses Fehlers dazu brachte, vor
Peinlichkeit in sein Zimmer im nahegelegenen Annandale Arms Hotel zu
fliehen und sich – in Sichtweite des misslungenen Tiers –
dortselbst aufzuhängen; angeblich spukt sein Geist
seitdem nachts im Hotel herum (womöglich auf der Suche nach den
Schafs-Ohren). Die Wirklichkeit ist allerdings etwas prosaischer – so
unangenehm die Sache für Brodie gewesen sein mag, gestorben ist er
erst sechs Jahre später zu Hause in Edinburgh. (Aber für eine gute
Gespenstergeschichte nehmen die Schotten es mit der Wahrheit mitunter
nicht so genau.) Heimgesucht wird der Widder übrigens auch vom Geist
William Colvins, der, so wird behauptet, für die klopfenden Geräusche
verantwortlich ist, die von dem Trinkbrunnen unterhalb des Tiers
ausgehen. Und das macht den Moffat Ram zu einem ganz besonderen
Schaf: Keine Ohren, aber dafür gleich zwei Geister! (Rowan ist
beeindruckt, möchte die eigenen Ohren aber nicht abgeben.)
The Moffat Ram ist ferner – und das ist die nötige
Querverbindung – auch ein Jig von
Muriel Johnstone, der als Originalmusik
für den folgenden Tanz dient.
Der Tanz, The Moffat Weavers, wurde von Harry Rhodes 1990
geschrieben. Er ist ein bisschen ungewöhnlich, weil er ein Square Set
benutzt, bei dem “Top” rund ums Set rotiert, statt dass die
Choreografie ein Paar nach dem anderen in den ersten Platz
manövriert. Trotzdem eignet er sich prima für uns, um die
interlocking Reels of four auszuprobieren, die wir bisher nur als
Übung hatten – aber sie kommen tatsächlich auch in Tänzen vor! Dort
werden sie wegen ihrer krummen Form manchmal auch (inoffiziell) als
banana reels bezeichnet. Auch die vorher geübte men’s chain kommt
zum Einsatz.
Derek Haynes’ Tanz Ray Milbourne haben wir zwar erst auf dem
Mini-Social Ende April getanzt, aber er ist perfekt, um einige Figuren
aus den vorigen Tänzen (Men’s Chain, Reel of four, …) aufzugreifen
und noch einmal in anderem Kontext zu zeigen.
Der Namensgeber des Tanzes war (oder ist?) Pianist in London, wo er
zum Beispiel in Frank Reids Band spielte. Genaueres über sein Leben
ist allerdings schwer herauszufinden. Das gleichnamige Musikstück
stammt vom Edinburgher Akkordeonisten Iain MacPhail und ist ein gutes Beispiel für dessen
idiosynkratischen Stil als Komponist.
Als “Schmankerl” für die Fortgeschrittenen gönnen wir uns diese Woche
den Tanz By Dundonald von Ian Barbour, einen Strathspey in
einem 3-Paar-Set. Mit Tourbillon, Reel of three und Allemande
kombiniert er drei populäre Figuren und würde sich wahrscheinlich auch
als Teil eines Auftrittsprogramms gut machen. Aufmerksam geworden sind
wir auf ihn allerdings über das Programm für den Schlüchterner Ball am
24. Juni 2023.
Dundonald ist ein Dorf im südlichen Ayrshire, nahe der schottischen
Westküste. Bekannt ist es vor allem durch Dundonald Castle, erbaut im
14. Jahrhundert durch Robert II., König von Schottland von 1371 bis
1390 und Enkel des legendären Robert Bruce.
Rothals-Wallaby (benjamint444, CC BY-SA 2.0)
Der letzte Tanz des Abends ist The Wandering Wallaby von Peter
Fish aus Neuseeland. Wallabies sind kleine bis mittelgroße Kängurus;
der Begriff ist nicht genau abgegrenzt. Eigentlich leben Wallabies in
Australien und Neuguinea, aber in Neuseeland (und anderswo) gibt es
eingeschleppte Populationen, und eine davon scheint Gärtner in der
Gegend zu terrorisieren, wo Peter Fish wohnt. Der Tanz enthält
komplette Reels of four auf der Seitenlinie (nachdem wir vorher die
interlocking Reels of four und die halben Reels of four hatten)
und bietet außerdem eine lustige Kombinationsfigur, bei der das erste
Paar zweimal settet und an den Fuß des Sets castet, während die
anderen drei Paare eine Promenade tanzen (und sich dabei einen Platz
nach oben manövrieren).