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4. Juli 2023: Vom Clyde zum Hudson River

Wir sind im Endspurt auf die Sommerferien, heute mit großer Besetzung und einer Reihe von erwarteten und unerwarteten Gästen aus nah und fern. Jan unterrichtet Strathspey und in der zweiten Hälfte feiern wir den “Independence Day” der Vereinigten Staaten von Amerika.

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Wie üblich geht es los mit Aufwärmen und einem Ceilidh-Tanz, heute dem Canadian Barn Dance. Dann übernimmt Jan – sein Motto ist Strathspey, und sein Tanz ist Roy Goldrings Clydebank Strathspey, aus Graded and Social Dances 2. - Der Clyde ist der drittlängste
The Falls of Clyde
The Falls of Clyde (Anselm Lingnau, CC BY-SA 4.0)
Fluss Schottlands; er entsteht aus dem Zusammenfluss der Bäche Daer Water und Potrail Water am passend benannten Platz “Watermeetings” nordwestlich von Moffat in den Borders. Von dort schlängelt er sich zunächst nach Nordosten, bevor er sich nach Westen wendet. Die “Falls of Clyde” werden heute durch ein Wasserkraftwerk gebändigt, dann passiert der Clyde David Dales und Robert Owens Modelldorf New Lanark, fließt weiter vorbei an Lanark, Wishaw und Larkhall, Motherwell und Hamilton, Blantyre und Bothwell mit der Ruine von Bothwell Castle hoch über dem Fluss, Uddingston und schließlich durch Glasgow, die große Industriestadt. Hier werden die Gezeiten spürbar und das Wasser wird brackig, der Clyde ist künstlich verbreitert und begradigt und Hochseeschiffe können hier ankern. Vorbei an den historischen Werften (von denen nur noch zwei übrig sind) geht es unter der imposanten Erskine Bridge hindurch, Dumbarton und Helensburgh grüßen am Nordufer und bei Greenock, nach 170 Kilometern, erreicht der Fluß den “Firth of Clyde”, das Meer.

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Im Tanz Rosnor Abbey aus Miss Milligan's Miscellany greifen wir die Zwei-Paar-Allemande aus dem vorigen Tanz noch einmal auf, diesmal im schnellen Tempo (Jig). Weder Google noch schottische Ortsdatenbanken können uns etwas über das namensgebende Kloster verraten; an dieser Stelle müssen wir eine ausführliche Erklärung also leider schuldig bleiben. Deswegen nur nochmal der Hinweis darauf, dass der Tanz früher von erster Dame und zweitem Herrn verlangte, in zwei Takten eine 7/8-Drehung mit rechts hinzulegen, um in der Mitte des Sets zu landen, so dass der Herr nach oben schaut und die Dame nach unten – und nach dem Set alles wieder zurück. Dasselbe galt für die anderen beiden, wobei es für diese nur knapp dreiviertelmal rum ging, was doch ein gutes Stück einfacher ist. In der neuesten Veröffentlichung von “MMM”, der DIN-A5-Ausgabe von 2007, hat die Society den Tanz allerdings geändert und es werden nur noch halbe Drehungen verlangt. (Unser Diagramm gibt sich da allerdings noch ganz traditionell.)

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Wo wir beim Thema “Allemande” sind, versuchen wir uns gleich auch noch an einer Drei-Paar-Allemande, sogar einer mit Variationen. Sprig of Ivy wurde geschrieben von John W Mitchell, dem produktivsten (und größtenteils verkannten) Tanz-Erfinder der Schottentanzgeschichte, und ist vermutlich ein Tanz, den man für ein Ballprogramm im Auge behalten sollte – vor allem, wenn man einen experimentierfreudigen Dudelsackspieler zur Hand hat, denn Sprig of Ivy ist ein populärer Pipe Tune, eigentlich ein 2/4-Marsch, der gerne für den Canadian Barn Dance (siehe oben) gespielt wird, aber gelegentlich auch als Hornpipe oder Reel auftaucht. Das Stück wurde komponiert von Bruce Seton (später Sir Bruce Lovat Seton of Abercorn, 11th Baronet, 1909–1969), der nach einer Offiziersausbildung in Sandhurst und einer kurzen Karriere in der Black Watch 1932 aus der Armee ausschied und Schauspieler wurde. Er trat (mit einer Unterbrechung durch den 2. Weltkrieg) im Theater und in Filmen auf – unter anderem in der klassischen Komödie Whisky Galore! (1949), die erzählt, wie ein Schiff mit 50.000 Kisten Whisky an Bord vor einer (erfundenen) schottischen Insel Schiffbruch erleidet, sehr zum Entzücken der Eingeborenen – und fand seine vielleicht bekannteste Rolle als Titelheld der bahnbrechenden BBC-Krimiserie Fabian of the Yard (1954-1956). Dieser Tanz ist übrigens nicht zu verwechseln mit dem fast gleichnamigen The Sprig of Ivy von John Bowie Dickson.

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John-Paul-Jones-Denkmal in Washington, D.C.
John-Paul-Jones-Denkmal in Washington, D.C. (debaird, CC BY-SA 2.0)
Nach der Pause nutzen wir das Kalenderdatum aus und tanzen noch ein paar Tänze, die mehr oder weniger locker mit den Vereinigten Staaten und ihrem Unabhängigkeitstag in Verbindung gebracht werden können. Zunächst ist das John Paul Jones von John Drewry – aus dem Bon Accord Book of Scottish Country Dances von 1968 und damit (noch) ein relatives Frühwerk. John Paul Jones (1747–1792) – geboren als John Paul in Schottland – war Seemann und Kommandant mehrerer Handelsschiffe. Nachdem er ein meuterndes Besatzungsmitglied mit seinem Schwert umgebracht hatte und sich vor einem Seegericht hätte verantworten müssen, zog er es vor, in die Kolonien in Nordamerika zu fliehen. In Fredericksburg, Virginia, musste er die Angelegenheiten seines verstorbenen Bruders ordnen, der keine Erben hinterlassen hatte; dort nahm er auch den Nachnamen “Jones” an, betrachtete sich bald als Amerikaner und bot 1775 der frisch gegründeten Continental Navy seine Dienste an (fähige Marineoffiziere wurden dringend gesucht). Dort stieg er auch schnell auf. 1778 fand er sich in Europa als Kommandant der Fregatte Ranger, und beschloss, einen Überraschungsangriff auf die Hafenstadt Whitehaven in Nordwestengland (wo seine Seemannskarriere angefangen hatte) durchzuführen. Dies geschah am 23. April und war nur moderat erfolgreich, was die geplante Zerstörung der dort vor Anker liegenden Schiffe anging – der Schock des Überfalls war vielleicht der größte Effekt. – Nach dem Sieg der Amerikaner im Unabhängigkeitskrieg gab es für Jones keine Verwendung mehr, so dass er in den Dienst der russischen Zarin Katharina II. eintrat. Dort kämpfte er auf dem Schwarzen Meer gegen die Türken. Später wurde er beschuldigt, ein zehnjähriges Mädchen vergewaltigt zu haben, was ihn sehr unpopulär machte – Katharina schickte ihn ins Exil nach Paris, und seine Versuche, wieder in die russische Marine aufgenommen zu werden, blieben erfolglos. Jones war eine umstrittene Gestalt: ein mutiger, willensstarker und sehr fähiger Seemann, aber auch “eine fiese Charakter”, ein Heuchler und Emporkömmling.

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Broadway am Times Square
Broadway am Times Square (Peter K Burian, CC BY-SA 4.0)
“Broadway” ist die älteste Nord-Süd-Hauptstraße in New York City und zieht sich auf einer Länge von 21 km durch den kompletten Stadtteil Manhattan. Ursprünglich ein Pfad der Ureinwohner, wurde die Straße unter dem Namen Heerenstraat zu einer der Hauptstraßen der niederländischen Kolonie Neu-Amsterdam; ihre heutige Bezeichnung bekam sie wegen ihrer ungewöhnlichen Breite nach der Übernahme der Stadt durch die Briten. Der Name “Broadway” ist heute ein Metonym für die kommerzielle amerikanische Theaterindustrie: Der “Theaterdistrikt” von Manhattan erstreckt sich entlang dem Broadway ungefähr von der 40th Street bis zur 57th Street und der Sixth Avenue zur Eighth Avenue. - Der Tanz Broadway ist von Chris Ronald (dem wir auch, z.B., Hello-Goodbye aus Buch 51 und Slytherin House aus Buch 52 verdanken). Als echter Drei-Paar-Strathspey bietet er eine interessante Kombination aus Set and link for three und Diagonal half rights and lefts, und natürlich tanzen wir auf Musik aus Broadway-Musicals (aufgenommen von Marian Anderson).

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Was wäre der 4. Juli ohne ein Feuerwerk zum Abschluss? Auf besonderen Wunsch von Marie beenden wir den heutigen Tanzabend mit The Fireworks Reel. Leute, die schon länger in Frankfurt tanzen, erinnern sich möglicherweise noch an Eva Krüger (geb. Thiemann), der wir diesen Tanz – inklusive Vorführung – zur Hochzeit geschenkt haben. Das war 2009, und in der Zwischenzeit hat der Tanz es sogar ins RSCDS-Buch 48 geschafft. Das Feuerwerk kommt ins Spiel, weil – der Sage nach – Eva und ihr späterer Ehemann Björn sich während einer Silvesterfeier entschieden hatten, es als Paar zu versuchen. In Deutschland gibt es Feuerwerk ja zu Silvester und nicht am Nationalfeiertag, aber das soll uns natürlich heute nicht stören.

#NameTypeSetSource
1Canadian Barn DanceX161RRDurrands: Guide (ex-Collins)
2Clydebank StrathspeyS322/4LGoldring Graded 2
3Rosnor AbbeyJ402/4LMMM
4Sprig of IvyR323/4LMitchell: Whetherly 22
5John Paul JonesR323/4LDrewry: Bon Accord
6BroadwayS323/3LRonald: The Big Apple Collection
7The Fireworks ReelR323/4LLingnau: RSCDS XLVIII

Text: Anselm Lingnau · Fotos: wie angegeben