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11. Juli 2023: Hebriden bei Hitze
Deutschland ist im Griff der Hitzewelle – aber über 30°C können
zumindest einige von uns nicht abhalten. In relativ kleiner Runde
tanzen wir ein kürzeres Programm von speziell ausgesuchten Tänzen.
Wenn man einen Ceilidh-Tanz sucht, der nicht anstrengend ist, landet
man höchstwahrscheinlich bei der Swedish Masquerade. Und das ist
entsprechend auch unsere Auswahl für heute abend. Überall auf der Welt
heißt dieser Tanz “die schwedische Maskerade”, außer in Schweden – da
ist es die dänische.
Die berühmte Schottentanz-Pianistin und Komponistin Muriel Johnstone und ihr Ehemann, der nicht minder berühmte Tanzlehrer
Bill Zobel, wohnten in den 1990er Jahren in der Muse Cottage in Allanton, in der Nähe des Städtchens Duns
im Osten der schottischen Borders (inzwischen leben
sie in Pitlochry, in den Highlands). Diese Heimstatt inspirierte
Roy Goldring zu dem gleichnamigen Strathspey, heute abend
unterrichtet von Marie. Die wesentliche Figur in diesem Tanz ist
die 3-Paar-Promenade – interessanterweise gibt es praktisch keine
3-Paar-Strathspeys mit einer 2-Paar-Promenade! Wie bei der
3-Paar-Allemande ist der wesentliche Unterschied zwischen den beiden
aber, dass bei der 3-Paar-Promenade das erste Paar auf Takt 2 komplett
auf die Herrenseite tanzen muss, während es bei einer 2-Paar-Promenade
zwei Takte dafür Zeit hätte. Das liegt einfach daran, dass das erste
Paar bei der 3-Paar-Promenade zwei Plätze nach unten tanzen muss und
die Zeit dafür anderswo eingespart werden muss. In jedem Fall sind am
Ende von Takt 4 alle Paare auf der Herrenseite, auf Takt 5 schwenkt
das erste Paar ein, auf Takt 7 sind alle drei Paare in der Mitte und
auf Takt 8 tanzen sie nach außen. Wie Marie korrekt hervorgehoben
hat, sollte man dabei darauf achten, vorwärts zu tanzen und nicht
rückwärts – es ist also am besten, am Ende von Takt 7 ein kleines
bisschen unterhalb des Ziel-Platzes zu sein, um diagonal vorwärts nach
außen tanzen zu können. (Das ist natürlich vor allem eine
Herausforderung für das dritte Paar.)
Auf den Hebriden war das Weben von Tweed oder Tartan im wahrsten Sinne
des Wortes eine cottage industry – viele der überwiegend armen
Bauern verdienten sich über die Weberei etwas dazu. Der
Hebridean Weaving Lilt illustriert einige der Werkzeuge und
Arbeitsgänge des Webens, vom Weberschiffchen über den Webstuhl bis zum
Auf- und Abwickeln von Garn. Die Provenienz des Tanzes ist zumindest
unklar. Er gehört zu den MacNab Dances, einem Konvolut von ungefähr
zwei Dutzend Tänzen, die der Society von Mary Isdale MacNab aus Kanada
übergeben wurden. Angeblich beruhen die Tänze auf mündlicher
Überlieferung von ausgewanderten Schotten, aber das ist
leider in keiner Weise robust belegbar. Die Tänze sind vorwiegend
“Vorführtänze”, die ohne Progression einmal durch gehen und zum Teil
ziemlich eigenartige Figuren enthalten, und ein Problem mit der
behaupteten Herkunft ist, dass es keine Quellen gibt, die ähnliche
Tänze im Schottland des 18. und 19. Jahrhunderts beschreiben würden.
Es gibt also durchaus Leute (zu denen ich mich persönlich auch zähle),
die vermuten, dass Mrs. MacNab die Tänze überwiegend selber erfunden
und mit einer mehr oder weniger abenteuerlichen Hintergrundgeschichte
versehen hat, um ihnen mehr street credibility zu verpassen und sie
authentischer aussehen zu lassen. Wirklich beweisen lässt sich das
eine genau wie das andere aber nicht ohne weiteres.
Den Abschluss unseres wegen der Hitze etwas verkürzten Programms
bildet (nach einer ausgedehnten Pause mit Maries leckerem Gin-and-Tonic-Kuchen)
Lang Frae Glasgow, erfunden von Robert McOwen aus Boston (mit
Musik von seiner Frau Barbara) und gewidmet Richard McLaughlin und
Marjorie Easton zu ihrer Hochzeit 1992. Marjorie kommt ursprünglich
aus Glasgow und wohnt jetzt in San Diego, also in der Tat “fern von
Glasgow”! Der Tanz ist einer der sehr wenigen Tänze im Repertoire, die
den pas de valse benutzen – auch für erfahrene Schottentänzer:innen
immer eine Herausforderung, denn nachdem sie sich mühevoll
step-close-step angewöhnt haben, sollen sie plötzlich
step-step-close tanzen! Aber die Musik ist sehr schön und der Tanz
selbst ungemein elegant. (Diagramm gibt es anscheinend noch keins.)
Wir beenden den Abend heute schon um ca. 21.15 Uhr, auch weil nur noch
sechs Tänzer:innen da sind und wir lieber aufhören, solange sich noch
alle wohl fühlen (in der Turnhalle ist es bemerkenswert aushaltbar)
und das große Gewitter noch nicht niedergeht. Mal sehen, wie es
nächste Woche beim großen Wunschtanz-Saisonabschluss ist!