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28. November 2023: Corners, Reels und 100 Jahre

Mit “kleiner Besetzung” lernen wir (oder diejenigen, die vor kurzem angefangen haben), wo ihre “Corners” sind. Wir wiederholen den Reel of Four von letzter Woche und tanzen einige Tänze anlässlich des 100. Geburtstags der Society am letzten Sonntag.

Als Ceilidh-Tanz zum (erweiterten) Aufwärmen tanzen wir heute den Boston Two Step – ziemlich eindeutig ein Cousin von bekannteren Tänzen wie Gay Gordons und Military Two Step. Entsprechend leicht fällt er den vier Paaren, die am Anfang der Stunde da sind (es kam dann auch nur noch eine Person dazu). Ob’s noch am Wintereinbruch, mit Schnee, von gestern liegt? Heute abend ist es eigentlich ganz harmlos.

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Nach einer kleinen Skip-Change-of-Step-Übung (mit vier Paaren mal wieder auf der langen Diagonalen mit Individual-Tipps) widmen wir uns dem Konzept der “Corners” und dem Centenary Jig von Anne Thorn aus dem Glasgow Branch 100th Anniversary Dances (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Tanz von Evelyn Clark in der Centennial Collection von 1967 – die nicht etwa ihrer Zeit weit voraus war, sondern das 100-jährige Jubiläum der Gründung von Kanada 1867 feierte; vielleicht die bekanntesten Tänze aus diesem Buch sind The Sauchie Haugh und The Saint John River). Eigentlich ist der Tanz also für den 100. Geburtstag der Glasgow Branch gemeint, aber das sehen wir heute nicht so eng. Die Corner-Figur taucht in etlichen Tänzen auf (in der Regel entweder ganz am Ende, siehe The Reel of the Royal Scots, oder, wie hier, vor einem Kreis); heute wird sie in der Regel so choreografiert, dass man den Corners vier Takte Zeit für die Drehung gibt, das ist viel weniger hektisch als zwei Takte, auch wenn das tanzende Paar sich nach dem zweiten Takt der Drehung “ausklinkt”. Erinnern wollen wir auch an den Schrittwechsel zwischen dem Ende der Corner-Figur (Skip-Change-of-Step) und dem Kreis (Slip Step) – am Ende der Corner-Figur hat man den rechten Fuß frei, muss den Kreis aber mit dem linken Fuß anfangen! Dieses Dilemma löst man elegant und unauffällig, indem man den rechten Fuß in die 1. Position schließt, aber genau im selben Moment den linken Fuß in die 2. Position bewegt (effektiv “kickt” man mit dem rechten Fuß den linken weg, oder so sieht das zumindest aus – in Wirklichkeit wird natürlich keine Kraft vom rechten Fuß auf den linken übertragen, sondern man springt einfach auf den rechten Fuß um und gibt dadurch den linken Fuß frei). Wie im Unterricht erklärt: Eine offizielle Methode hierfür gibt es nicht, sondern nur Erfahrungswerte – in jedem Fall sollte man aber anstreben, dass Schrittwechsel wie diese unauffällig stattfinden.

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Bailey's Irish Cream ist eventuell auch und gerade in der regnerischen Vor-Adventszeit eine willkommene Erfrischung abends auf dem Sofa (andere Sahneliköre sind erhältlich), aber für unsere Zwecke heute abend ein Tanz von Barry Skelton aus Neuseeland – den meisten sicherlich ein Begriff als Autor von Pelorus Jack, aber mit 374 Tänzen (Stand November 2023) ein extrem produktiver Tanz-Erfinder. Dieser Tanz (O-Ton Barry: “You will be reeling on the diagonal if you have too much Bailey’s Irish Cream”) stammt aus der Sammlung Stepping Stones mit 22 einfachen Tänzen und enthält, wie schon angedeutet, diagonale Reels of Four mit den Corners (erst die ersten, dann die zweiten). Diese sind auch die Haupt-Herausforderung des Tanzes: Alle Beteiligten müssen reagieren und sich schnell bewegen, um die Regel “eine Schulter pro Schritt/Takt Musik” einhalten zu können, denn Reels auf der Diagonalen sind “länger” als die Reels über den Tanz von letzter Woche! Aber im Großen und Ganzen klappt das gut – und im Fall des Falles verzeiht der Tanz einiges, denn nach den Reels kommt nur noch die Schleife des tanzenden Paares, wo man notfalls noch etwas Boden gutmachen kann.

Dieser Tanz ist übrigens ein gutes Beispiel für das klassische Schema

  • 8 Takte, um das 1. Paar zu den Corners zu manövrieren
  • 8_Takte für eine Figur mit den ersten Corners
  • 8 Takte für dasselbe (mehr oder weniger) mit den zweiten Corners
  • 8 Takte zum Aufräumen; das 1. Paar landet im zweiten Platz

das von einer Vielzahl von Tänzen verwendet wird. Wieviele fallen Euch ein?

“Baileys Irish Cream” (das Getränk) schreibt sich offiziell übrigens ohne Apostroph.

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Als Neuerung im System versuchen wir, vor der Pause einen “Unterrichtstanz” für die Fortgeschrittenen einzubauen, damit auch diese eine Gelegenheit bekommen, auf ihrem Niveau herausgefordert zu werden. Nach einer Übung für die “Rose Progression” befassen wir uns mit Alasdair Browns Tanz The Athenaeum, wie der Centenary Jig aus dem 100. Glasgow-Jubiläums-Buch. Außer der Rose Progression, die unsere besondere Aufmerksamkeit verdient, enthält der Tanz noch ein Set and Rotate for three couples und sonst nur einfache Figuren (ein Down the middle and up – mit etwas extra – und einen Kreis). Das Set and Rotate funktioniert exakt wie sein Pendant für zwei Paare; das “dritte” Paar in der Mitte (eigentlich das 1. Paar) castet auch ein Viertel ums Set herum und landet wieder zwischen den anderen beiden Paaren in zwei Dreierreihen über den Tanz.

Das Athenaeum in Glasgow wurde 1847 gegründet und war in seiner Anfangszeit eine Mischung aus Bildungseinrichtung und vornehmem Club. Außer berufsqualifizierenden Fähigkeiten wurden auch Philosophie, Literatur, Sprachen und Musik unterrichtet, später z.B. auch Stenografie. Ab 1888 konzentrierte man sich jedoch auf die Musik (die anderen Fächer gingen im Athenaeum Commercial College auf, aus dem nach einigem Hin und Her 1964 die University of Strathclyde wurde). Das heutige Gebäude in der Buchanan Street, entworfen von Sir John J. Burnet, wurde 1893 als Erweiterungsbau “Athenaeum Theatre” eröffnet. Aus der Glasgow Athenaeum School of Music, 1929 zur Scottish National Academy of Music umbenannt, wurde 1944 durch eine Fusion mit dem städtischen College of Dramatic Art die Royal Scottish Academy of Music and Drama (RSAMD), heute bekannt als Royal Conservatoire of Scotland. 1987-88 zog die RSAMD in ein neues Gebäude in der Renfrew Street um, während das Athenaeum Theatre eine Weile vom Scottish Youth Theatre benutzt wurde. Heute ist dort das Hard Rock Café untergebracht.

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Nach der Pause geht es weiter mit einem Tanz für alle (zum Glück sind wir immer noch ein Vier-Paar-Set), namentlich The Galloping Carousel aus Buch 53. Dort heißt es:

The Galloping Carousel erzählt die Geschichte von bemalten Pferden auf einem Karussell, die es leid werden, immer nur in endlosen Kreisen zu stolzieren, und davon träumen, sich loszureißen und zu fliehen, um frei zu galoppieren. Aber sogar in ihren Träumen kehren sie immer zum Karussell zurück.”

Der Tanz wurde in den 1990er Jahren erfunden von General John de Chastelain. Ein Tänzer und Dudelsackspieler, diente er 40 Jahre im kanadischen Militär und war an Orten rund um die Welt stationiert (Deutschland, Zypern, England, …). Er war zweimal Generalstabs-Chef und der 18. kanadische Botschafter in den USA. Nach dem Ende seiner Militärzeit arbeitete er am nordirischen Friedensprozess mit und wurde für den Friedensnobelpreis nominiert.

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Obschon die meisten Tänze im heutigen Repertoire für Längs-Sets (Gassen) geschrieben sind, gibt es auch einige Tänze in Square-Sets. Historisch gesehen enthält die erste Auflage von Playfords The English Dancing Master von 1651 (die “Bibel” des Countrytanzens im 17. Jahrhundert) etwa zu gleichen Teilen Tänze für Längs- und Square-Sets, aber bis zur letzten Auflage von ca. 1728 verschiebt dieses Verhältnis sich nach und nach sehr eindeutig in Richtung “Längs-Set”, vermutlich wegen der langen schlauchartigen Wohnzimmer, die in der vornehmen Gesellschaft seinerzeit angesagt waren.

Die RSCDS veröffentlichte in Buch 2 den The Eightsome Reel (der nicht auf Playford zurückgeht, sondern im späteren 19. Jahrhundert aus Country-Dance- und Quadrille-Elementen entwickelt wurde), aber dann dauerte es geraume Zeit, genauer gesagt bis zum Buch 27 von 1975, bis ein Tanz erschien, der nicht zur Verwandtschaft des The Eightsome Reel gehörte. Der Round Reel of Eight dauert nur 88 Takte und ist der erste Vertreter eines ganz speziellen Genres von solchen Tänzen – fast ausnahmslos Reels – wie The Barmkin, The Unicef Circle, The Piper and the Penguin und so weiter. Für Tanz-Erfinder:innen gibt es da jede Menge Möglichkeiten: Fünfmal 16 Takte Musik und dann noch 8 Takte am Schluss (oft, aber nicht immer für einen Kreis), also ausreichend Raum für Figuren für alle (hier die Half Grand Chains mit Setting), für Figuren für die Damen oder die Herren (die Casts rund ums Set am Anfang) oder für Figuren für die “Kopfpaare” 1 und 3, die die “Seitpaare“ 2 und 4 dann wiederholen (die “Bogenfigur mit Promenade” oder die Half Rights and Lefts). Natürlich gibt es im Square-Set auch progressive Tänze, wo ein Durchgang 32 oder 48 Takte dauert und entweder ein neues Paar im ersten Platz landet (siehe Culla Bay vom 13. Juni) oder einfach die Definition von “oben” rund ums Set rotiert, so dass bei der Wiederholung das zweite Paar choreografisch zum ersten erklärt wird und der Tanz dann sinngemäß weitergeht (siehe The Moffat Weavers vom 6. Juni).

#NameTypeSetSource
1Boston Two Step-161RRWalton: Guide (ex-Collins)
2Centenary JigJ323/4LThorn: Glasgow 100
3Bailey's Irish CreamR323/4LSkelton: Stepping Stones
4The AthenaeumS323/3LBrown: Glasgow 100
5The Galloping CarouselJ324/4LChastelain: RSCDS LIII
6Round Reel of EightR884SRSCDS XXVII

Text: Anselm Lingnau