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12. Dezember 2023: You Cannot Go Wrong

Der letzte Tanzunterricht vor dem offiziellen Jahresabschluss – wir üben Reels of Three mit den Einsteiger:inne:n, während die Fortgeschrittenen ihre Highland Schottische Poussette polieren dürfen …

Reels of Three gehören zu den trickreicheren Figuren im SCD-Repertoire – nicht weil sie so schwierig sind (sind sie nämlich eigentlich gar nicht), sondern weil es so viele Varianten gibt – rechtsschultrig, linksschultrig, parallel, spiegelbildlich, gegenläufig, auf der Seitenlinie, über den Tanz, mit den Corners, diagonal, mit einem oder mehreren Paaren, die als eine Person tanzen, mit Führungswechsel, und so weiter … ganz zu schweigen von Tänzen wie Red House (ein Zweipaartanz mit Reels of Three auf der Seitenlinie, tatsächlich …). Aber wir wollen uns nicht übernehmen.

Wie im Unterricht erklärt, gibt es zwei simple Grundregeln, die daraus folgen, dass alle drei Tänzer:innen in einem Reel of Three sich auf derselben achtförmigen Bahn bewegen:

  • Für den Anfang des Reels gilt: Wenn zwei Personen einander (zum Beispiel) die rechte Schulter geben, dann bewegt die dritte Person am anderen Ende des Reels sich in dieselbe Richtung wie die am einen Ende, namentlich gegenläufig zur Person in der Mitte.
  • Im Reel selbst tanzt man immer zwischen zwei anderen Personen durch.

Im Video (vom Lower Hutt SCD Club in Neuseeland) sieht man das sehr schön (vor allem am Anfang). Es hilft auch, wenn man den Reel relativ “bauchig” tanzt, weil die Richtungswechsel an den Enden dann weniger verwirrend sind. Wenn man mehr oder weniger geradeaus durch den Reel tanzt, dann ist man nicht nur zu früh und möglicherweise den Anderen im Weg, sondern am anderen Ende auch unsicher, ob man links oder rechts abbiegen soll. Bewegt man sich dagegen schon auf einer Kurve, muss man einfach nur die Kurve weitertanzen.

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Der klassische Tanz, um mit Reels of Three anzufangen, ist Catch the Wind von Romaine Butterfield – der Eingang in die Reels ist praktisch narrensicher, und da es zwei parallele Reels gibt, kann man sich im Zweifel auch am anderen Reel orientieren. Außerdem hat der Tanz jede Menge Gelegenheiten für “Drama”. Geschrieben wurde er für Iain Boyd und Noeline O'Connor (die beide auch Tänze erfinden); der Sage nach machte Noeline es Iain nicht leicht, sie zu “erwischen”, und entsprechend darf das 1. Paar einander auch erst in den letzten vier Takten die Hand geben; bis dahin muss Augenkontakt reichen 😉

The Merry-Go-Round (Chris Duncan & Catherine Strutt)

The Navvie (Lothian Scottish Dance Band)

Der Tanz war schon eine Weile im Umlauf – ich habe ihn das erste Mal Mitte der 1990er auf einem Workshop getanzt, wo Jack Campbell ihn unterrichtete –, bis er von der Society in Buch 45 veröffentlicht wurde. Dabei kam es aber zu einem Missverständnis, was die Musik anging: In Neuseeland wurde Catch the Wind auf eine Aufnahme namens “Medley – Flirtation Hornpipes” von Elma Grech getanzt, und “Flirtation Hornpipes” kam auch als Musikangabe bei der Society an – aber das wurde dort als Genrebezeichnung interpretiert, nicht als Name einer konkreten Aufnahme beziehungsweise des aufgenommenen Stücks. Für die Veröffentlichung suchte die Society sich also ohne Rückfrage und in eigener Regie das Stück The Navvie aus, was in Neuseeland helle Empörung auslöste, hatte Elma Grech auf ihrer Platte doch The Merry-Go-Round gespielt, was dort entsprechend als offizielles Stück galt. Noch heute teilen die Aufnahmen für Catch the Wind sich in zwei Gruppen auf: Musiker aus Neuseeland und Australien spielen The Merry-Go-Round, während RSCDS-treue Bands in Schottland The Navvie bevorzugen. Nebenan sind zwei repräsentative Hörproben zum Vergleichen.

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Am Montag haben Marie und ich Yulia Nedogreeva und ihre Gruppe in Marburg besucht und dabei bin ich auf Bea's Delight aus Buch 43 aufmerksam geworden – ein nettes Tänzchen mit Reels of Three, bequemerweise genau dieselben wie in Catch the Wind, aber on the sides und nicht across the dance. Kleine Herausforderungen müssen sein … Der Tanz ist von May Macfarlane aus Toronto (Kanada).

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Auch die Fortgeschrittenen sollen nicht ohne ihre kleine Herausforderung auskommen müssen, und darum widmen wir uns heute abend einer eher selten getanzten Figur, der “Highland Schottische Poussette”. Wie der Name andeutet, ist das eine Art Poussette, die mit Highland-Schottische-Schritten getanzt wird, und gehört darum eindeutig in den Strathspey. Erfunden wurde sie von Jackie Johnstone für den Tanz S. S. Johnstone, was sie auf die 1970er-Jahre datiert; Eingang ins Repertoire der RSCDS fand sie mit Iain Boyds Tanz The Trysting Place in Buch 35.

"You Cannot go Wrong!" von Trisha Rawlings ist im Buch Oxford Connections zu finden und John Armstrong gewidmet, einem beliebten Lehrer der RSCDS Oxford Branch, der seine Recaps für Tänze mit der Phrase “You cannot go wrong!” abzuschließen pflegte.

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Nach der Pause geht es weiter mit einem Tanz aus dem neuen RSCDS-Buch 53Chased Lovers vom San-Francisco-basierten Tanz-Erfinder Tim Wilson, dem wir auch andere beliebte Tänze verdanken (etwa Linnea's Strathspey oder The Grassmarket Reel, letzterer zu finden auf dem Programm für unseren Spring Ball am 16. März 2024). Der Titel des Tanzes ist ein Wortspiel zwischen chased (wie “Verfolgungsjagd”) und chaste (wie “keusch”) – wo das 1. Paar einander bei Catch the Wind wenigstens in den letzten vier Takten die Hände geben darf, ist das bei Chased Lovers überhaupt nicht angesagt 😮! Wobei es in dem Tanz natürlich – entsprechendes Interesse vorausgesetzt – genug andere Gelegenheiten gibt, Funken fliegen zu lassen … Chased Lovers erschien zuerst 2015 in der Sammlung World Wide Weavings der RSCDS International Branch.

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Der Aufwand zum Einstudieren der Highland Schottische Poussette soll sich lohnen – und es gibt gar nicht so viele Tänze mit dieser Figur, laut Datenbank 33 an der Zahl. (Nicht jede:r wird das als gravierendes Problem empfinden.) Wir picken uns trotzdem noch einen weiteren heraus, namentlich Peter Hastings's Castle Campbell aus der Woodside Collection der Glasgower Tanzgruppe “Alba”. Mit 40 Takten pro Durchgang ein bisschen länger als normal hätte dieser Tanz trotzdem durchaus Potential für Displays; die Progression ist ein bisschen ungewöhnlich, aber funktioniert.

Castle Campbell
Castle Campbell (Alistair Young, CC BY 2.0)
Das Vorbild für den Tanz ist eine Burg oberhalb des Städtchens Dollar in Clackmannanshire in Zentralschottland (in der Nähe von Stirling). Ursprünglich erbaut als “Castle Gloom”, weniger wegen einer allumfassenden Düsternis, sondern eher als Verballhornung des gälischen Worts glom (Abgrund) – auf beiden Seiten der Burg finden sich einigermaßen tiefe Schluchten –, war Castle Campbell vom 15. bis zum 19. Jahrhundert einer der Sitze des einflussreichen Clans Campbell, der die Earls und später Dukes of Argyll stellte. Die Burg wurde im britischen Bürgerkrieg 1654 niedergebrannt und stellte ab da nur noch symbolisch den Sitz des Clans dar; der 9. Earl of Argyll zog es 1666 vor, in ein repräsentatives Herrenhaus in Stirling zu übersiedeln (siehe den Tanz The Argyll Ludging in Buch 36). Heute wird die Burg von Historic Environment Scotland verwaltet und ist von Anfang April bis Ende September für die Öffentlichkeit zugänglich.

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Der letzte Tanz des Abends ist – im Vorgriff auf einen zwingenden Bestandteil des Weihnachtsprogramms für nächste Woche – A Trip to Bavaria von James MacGregor-Brown. Dieser Tanz ist ein moderner Klassiker und ziemlich beliebt, nicht nur im FSCDC e.V., wo er in den 1990er Jahren sehr häufig als “Rausschmeißer” ganz am Schluss des Dienstagabends getanzt wurde (von Frankfurt ist es zumindest bis ins Bundesland Bayern nicht sehr weit, auch wenn man bei der Gegend vielleicht eher von “Mainfranken” sprechen würde). Offiziell veröffentlicht wurde der Tanz anscheinend nie, bevor er es Ende der 1990er Jahre ins “Collins-Buch” (aktuell erhältlich bei der Society unter dem Namen A Guide to Scottish Country Dancing) schaffte; es existieren aber handschriftliche Beschreibungen, die sich auf das Jahr 1960 zurückdatieren lassen und wo der Tanz Eine Reise nach Bayern heißt (der englische Titel kan anscheinend erst später dazu). Ebenso variabel sind einige Details des Tanzes; laut der Originalbeschreibung soll das erste Paar auf Takt 30 mit der rechten Hand die Seite wechseln, auch wenn das inzwischen praktisch immer mit beiden Händen gemacht wird. Ebenso sagt die Originalbeschreibung, dass die Paare 2 bis 4 in der zweiten Hälfte den Partner anschauen sollen, bis sie tatsächlich vom 1. Paar angesettet werden; auch das wird nicht konsequent so getanzt.

James MacGregor-Brown hat nicht nur den Tanz geschrieben, sondern auch Musik dafür; diese ist aber schwer zu finden und nicht besonders verbreitet. Das Stück, das statt dessen mit dem Tanz – sehr zum Missfallen des ursprünglichen Autors – inzwischen fast untrennbar verbunden ist, erkennen deutsche Tänzer:innen eines gewissen Alters als “Die Fischerin vom Bodensee” von Franz Winkler, das sich durch den gleichnamigen Heimatfilm von 1956 in die populäre Kultur einbrannte. In Schottland hingegen wird es Hamish Menzies unter dem Titel Remmerts of Herford zugeschrieben (andere Schreibweisen existieren), oft auch nur als Hamish's Tune. Wie es dazu gekommen ist, verschwindet im Nebel der Vergangenheit; Herford in Ostwestfalen war nach dem 2. Weltkrieg bis 2015 ein großer Standort der britischen Rheinarmee, und es ist nicht vollkommen abwegig, dass das Volkslied von dort seinen Weg nach Schottland gefunden hat. “Remmert” ist ein Familienname, der im Herforder Telefonbuch auch heute noch zumindest ein paarmal auftaucht. Genaues werden wir aber wohl nie erfahren.

#NameTypeSetSource
1Catch the WindR323/4LButterfield: RSCDS XLV
2Bea's DelightR323/4LMacfarlane: RSCDS XLIII
3"You Cannot go Wrong!"S323/3LRawlings: Oxford Connections
4Chased LoversJ323/4LWilson: RSCDS LIII
5Castle CampbellS404/4LHastings: Acme
6A Trip to BavariaR324/4LMacGregor-Brown: Collins SCD

Text: Anselm Lingnau · Fotos: wie angegeben