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30. Januar 2024: Happy Polharrow Meeting

Heute findet zuerst die jährliche ordentliche Mitgliederversammlung des FSCDC e.V. statt. Wir sparen uns hier Kommentare darüber und verweisen dafür auf das Protokoll, das sicher demnächst erscheinen wird – aber ein bisschen getanzt haben wir ja auch noch …

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The Happy Meeting findet sich im RSCDS-Buch 29 von 1979. Leider war die Society zumindest früher etwas weniger als gewissenhaft, wenn es darum ging, die Quellen für Tänze zu zitieren, die in ihren Veröffentlichungen auftauchen, und darum können wir hier nichts Genaueres sagen. Die anderen Tänze in Buch 29 kommen allerdings aus verschiedenen Büchern aus dem 18. und 19. Jahrhundert, und deswegen liegt die Annahme nahe, dass auch dieser Tanz ein “traditioneller” ist. Von den Figuren her spricht jedenfalls nichts dagegen.

Ballprogramme plant man in der Regel so, dass der erste Tanz ein “Aufwärmtanz” ist und den Gästen nicht zu viel abverlangt (lange Sequenzen von pas de basque wären zum Beispiel ein “No-No”, und das spricht gegen Figuren wie Double Triangles, Poussette, oder Hello-Goodbye Setting). Musiker mögen zum Anfangen meist Jigs (im 6/8-Takt) lieber als Reels (im 4/4-Takt). The Happy Meeting kreuzt also diverse Felder an, die ihn zum ersten Tanz auf einem Ballprogramm qualifizieren – nebenbei passt der Titel auch noch ganz gut –, und darum hat er auf unserem diesjährigen Ball auch diese Position. (Zuletzt war das 2019 so, aber das stört uns nicht.)

Tanztechnisch interessant sind bei The Happy Meeting vor allem die Takte 17–24, wo alle drei Grundschritte des schnellen Tempos vorkommen – slip step, pas de basque und skip-change of step. Vor allem der 1. Herr muss aufpassen, dass sein Setting mit dem “oberen”, also dem linken Fuß anfängt; das zu verpassen rächt sich am Ende von Takt 4 der Figur, wo er dann auf dem falschen Fuß steht, um mit slip steps nach oben zu tanzen. Lohnt sich also zu üben.

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Als nächstes wiederholen wir den Strathspey Sands of Morar von letzter Woche. Über den Tanz ist dort eigentlich alles gesagt (und noch viel mehr), so dass wir uns hier kurz fassen können und uns statt dessen ein bisschen mit der Musik beschäftigen.

Sands of Morar (James Gray)

Sands of Morar (Lothian SD Band)

Wer genau hingehört hat, hat vielleicht gemerkt, dass wir letzte Woche auf James Grays Solo-Klavier-Arrangement getanzt haben und heute auf Akkordeon-Band-Musik (genau gesagt die Version der Lothian Scottish Dance Band von George Meikle, von der offiziellen CD für Buch 45). Es ist natürlich interessant, die beiden zu vergleichen und sich zu überlegen, was man schöner findet – siehe die 15-Sekunden-Clips aus der Datenbank links. Das Stück für den Tanz heißt übrigens Pinkie House und ist zuerst in Watts’ Musical Miscellany von 1731 belegt, wo als Komponist David Rizzo, der unglückselige Sekretär von Mary Queen of Scots, zitiert wird – nicht das einzige solche Stück, aber leider gibt es wenig bis keine Evidenz dafür, dass Rizzo sich wirklich musikalisch betätigte. Die tatsächliche Herkunft des Stücks liegt also im Dunkeln.

Pinkie House (Westfassade)
Pinkie House (Westfassade) (Renata, gemeinfrei)
Die Inspiration des Stücks, Pinkie House, steht in Musselburgh, East Lothian (östlich von Edinburgh). Es basiert auf einem Turmhaus aus dem 16. Jahrhundert, ursprünglich Landsitz der Äbte von Dunfermline, und fiel nach der Reformation an Alexander Seton, der als Kanzler James VI.’ diente und dafür 1605 zum Grafen von Dunfermline erklärt wurde. Ab 1613 ließ er Pinkie House umfassend erweitern. 1694 erbte es John Hay, Alexander Setons Urenkel und 2. Marquess von Tweeddale. 1745 übernachtete Charles Edward Stuart (“Bonnie Prince Charlie”) in Pinkie House nach seinem Sieg bei Prestonpans (Sir Walter Scott, übrigens selber weitläufig verwandt mit den Setons und Hays, erwähnt das in seinem Roman Waverley, Kapitel 49). In der Zeit danach wechselte das Anwesen noch mehrfach den Besitzer und wurde immer wieder umgebaut und (mitunter romantisierend) erweitert; heute gehört es der Loretto School, einem Internat.

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Der Polharrow Burn (siehe Titelbild des Eintrags) ist ein 8,6 km langes Fließgewässer in der Nähe von St John's Town of Dalry, im Südwesten von Schottland. Er entwässert das Loch Harrow ins Water of Ken. “Polharrow” leitet sich ab von den gälischen Wörtern poll (Bach) und airbhe (Mauer, Zaun); das englische burn kam später dazu, als die Bedeutung von poll nicht mehr geläufig war, wir haben es also wörtlich übersetzt mit dem “Mauerbachbach” zu tun. Was der Zaun bzw. die Mauer war, ist auch nicht 100% klar – vielleicht die Grenze des Pfarrbezirks, der Waldrand oder der Deil's Dyke, ein etliche Meilen langer Erdwall unklarer Entstehungsgeschichte in der Nähe.

Hugh Foss (1902-1971), der in St. John’s Town of Dalry seinen Altersruhesitz hatte, erfand den gleichnamigen Tanz 1967 und veröffentlichte ihn zuerst in seiner Loseblatt-Serie, Glendarroch Scottish Country Dance Sheets (er ist Nr. 16). Als Tanz repräsentiert Polharrow Burn eine ebenfalls von Hugh Foss erfundene Klasse von Fünf-Paar-Tänzen, bei denen das 1. und das 3. Paar gleichzeitig als tanzende Paare agieren und typischerweise dieselben (oder sehr ähnliche) Figuren tanzen. Oft funktionieren diese Tänze so, dass der obere Teil des Sets (wo das 1. Paar tanzt) und der untere Teil des Sets (wo das 3. Paar tanzt) sich choreografisch nur tangential berühren – in der Regel muss das 4. Paar in beiden Teilen mittanzen (siehe z. B. Derek Haynes’ Tanz The Black Mountain Reel). Nicht so in Polharrow Burn – die diagonalen halben Reels of four mischen alle Tänzer:innen zumindest gefühlt gründlich durch. Insbesondere werden die Paare, die am Anfang der drei Reels an den Enden des Sets sind, jeweils ans entgegengesetzte Ende des Sets transportiert, und Foss bereitet das geschickt durch die Chases in den Takten 9–16 vor: Das 5. Paar kreuzt auf die andere Seite und geht über in die Chase, so dass es im ersten Platz auf der eigenen Seite endet. Der 5. Herr “reelt” dann in den Platz der 3. Dame und sofort weiter in seinen eigenen Platz, wo er den dritten halben Reel of four aussetzt. Entsprechend setzt seine Partnerin den ersten halben Reel of four aus, tanzt dann im zweiten in den Platz des 3. Herrn und von da aus gleich weiter in ihren eigenen Platz. (Das 2. Paar tanzt sinngemäß genauso, aber in die andere Richtung und mit vertauschten Rollen, während das 4. Paar, das die Reel-Figur im dritten Platz beginnt, durch den ersten halben Reel ans Ende des Sets kommt, dort einmal aussetzt und durch den dritten halben Reel wieder an seinen ursprünglichen Platz zurückgelangt.) Eine geniale Konstruktion.

#NameTypeSetSource
1The Happy MeetingJ322/4LRSCDS XXIX
2Sands of MorarS323/4LPriddey: RSCDS XLV
3Polharrow BurnR325/5LFoss: Magazine

Text: Anselm Lingnau · Fotos: wie angegeben