Tipps für Kilt-Träger (und solche, die es werden wollen)
The Kilt is My Delight
Ein gut sitzender Kilt ist sicherlich der Traum fast jedes Schottentänzers, und leider bedarf es einer gut gefüllten Brieftasche sowie (im Idealfall) eines Besuchs in Schottland, um diesen Traum in Erfüllung gehen zu lassen. Gute Kilts sind Maßarbeit und enthalten über sieben Meter hochwertigsten Wollstoffs, und das kostet leider – bei 400 Euro oder so geht es langsam los. Zum Trost: »Mann« erhält für sein Geld ein strapazierfähiges, langlebiges und extrem elegantes Kleidungsstück, mit dem er genauso zu einer Wanderung in den Highlands gehen kann wie zum Opernball. Und von welchem Beinkleid könnte man das sonst noch behaupten?
In Deutschland ist das Kiltmachen eine eher selten anzutreffende Kunst; Schottlandläden bieten mitunter den Dienst an, eine Bestellung nach Schottland zu schicken, und im Dunstkreis der Mittelalter-Ausrüster soll auch schon die eine oder andere Kiltschneiderin gesehen worden sein. Bei Pilawas Weltreise in der ARD im Juli 2009 wurde hingewiesen auf Carlo Jösch, Couturier in Köln, der sich nach eigenen Angaben mit Zertifikat der Kiltmaker-Association auch dem Kilt-Schneidern widmet. Inzwischen stellen natürlich auch schottische Kiltmacher ihre Dienste über das Internet zur Verfügung (etwa das Celtic Craft Centre in Edinburgh oder Geoffrey (Tailor) Highland Crafts, einer der Riesen des Geschäfts) aber am besten begibt man sich doch persönlich in die Hand von Profis, die beim Messen keine Fehler machen. Und das stundenlange Wühlen in diversen Stoffmusterbüchern ist natürlich auch eines der Highlights eines Schottlandurlaubs. (Wer statt nach Schottland lieber ins Badische fährt, kann auch Kilts & More einen Besuch abstatten, unserem Lieblings-Schottlandladen, wo der Inhaber einem mit Freuden einen Kilt anmessen wird – und die Stoffmusterbücher gibt es da ganz so wie im »Gelobten Land« …)
Wobei wir beim Thema »Stoffmuster« wären. Landläufiger Meinung nach hat jeder schottische Clan seine eigenen Karomuster (genannt »Tartan«), die nur Mitglieder der jeweiligen Großfamilie tragen dürfen. Als Nicht-Schotten stehen wir demnach dumm da, denn unifarbene Kilts machen bei weitem nicht so viel her wie karierte und wirken auch nicht wirklich echt. Zum Glück ist die Idee der »Clan-Tartans« historischer Quatsch, und gerade als Ausländer darf man sich genau den Stoff aussuchen, den man mag (und finanzieren kann). Stress wegen Clans und Tartans machen erfahrungsgemäß höchstens manche Amerikaner schottischer Abstammung, die alles mindestens hundertzwanzigprozentig korrekt haben müssen (ihrer Meinung nach). Die Schotten freuen sich zumeist nur über das schöne Muster. – Jedoch sollte man als Tänzer vielleicht von allzu auffallend bonbonfarbigen Exemplaren so lange Abstand nehmen, bis die eigene Schritttechnik usw. so fortgeschritten sind, dass man auf der Tanzfläche gerne viel Aufmerksamkeit erregt. (Dem Autor dieser Zeilen schaudert immer noch bei dem Gedanken, dass er nicht davor zurück schreckte, sich als Fast-Noch-Anfänger auf einigen Kursen und Bällen in einem geliehenen knallroten »Royal Stewart«-Kilt zu produzieren … brr.)
In Schottland findet man auch superbillige Kilts für den Gebrauch von Touristen und Stadion-Gängern, oft in eigenwilligen Dekors à la »oliv mit Flecktarnung« oder »blau mit Andreaskreuz«. Solche Kilts kann man natürlich zum Spaß tragen, aber wirklich repräsentativ sind sie nicht, und der Unterschied fällt auch dem wenig geübten Auge sofort auf. Im Laden erkennt man die minderwertige Qualität am Saum an der Unterkante; gute Kilts sind nicht gesäumt, sondern die Webkante des Stoffs bildet den unteren Rand. (Mit einem Saum ist es praktisch unmöglich, die Falten anständig hinzukriegen, und ohne alles ribbelt der Stoff sich auf.)
Wenn es nicht unbedingt die teure Schurwolle sein muss, tut es vielleicht auch ein Misch- oder Kunstgewebe. Mitglieder unserer Gruppe haben ganz gute Erfahrungen mit den preisgünstigen Kilts von Heritage of Scotland gemacht; dort gibt es komplette Outfits mit Kilt aus Viskose oder Polyester inklusive Sporran und Zubehör ab £125 – natürlich muss man da gewisse Abstriche bei der Qualität machen, aber Sporran, Gürtel, Strümpfe usw. lassen sich auch später mit einem besseren Kilt tragen.
Eine weitere Quelle vernünftiger Kilts für Personen mit schmalem Geldbeutel sind übrigens die schottischen Kilt-Verleiher. Dort werden immer wieder Kilts ausgesondert, die nicht mehr 100% perfekt sind (aber für den eigenen Gebrauch in der Regel ohne weiteres taugen), und zu relativ günstigen Preisen verkauft. Und sonst gibt es ja auch noch eBay …
Allgemein läßt sich sich sagen, dass man bei Kilts in etwa das bekommt, wofür man bezahlt. Gutes Material und solide Handwerkskunst haben nun mal ihren Preis, und während der eine sich mit einem »VW Golf« unter den Kilts zufriedengibt, der schon für 100 Euro zu haben ist, muss es für den anderen vielleicht doch ein »Mercedes« sein. Zum Glück ist das Angebot breit genug, dass jeder etwas findet …
Was trägt der Schotte unter …?
»Die Zukunft Schottlands.« Leider müssen auch kilttragende Nicht-Schotten gewärtigen, oft die Standardfrage gestellt zu bekommen. Und schließlich muss man diese Frage irgendwann auch für sich beantworten!
Zuerst mal: Feste Regeln gibt es nicht, es sei denn, beim schottischen Militär, wo sie ungefähr sind wie folgt: Unter dem Kilt wird nichts getragen, außer in den folgenden Ausnahmen –
- Man beteiligt sich an organisiertem Sport, etwa Highland Games.
- Man spielt in der Dudelsackkapelle.
- Damen sind in der Nähe (etwa bei Festivitäten in der Offiziersmesse).
Die letztere Ausnahme legt nahe, bei Tanzveranstaltungen auf die »militärische« Trageweise zu verzichten, aber das ist natürlich eine individuelle Entscheidung. Manch einer schwört auf »militärisch«, es sei bequem und luftig, und ohne weiter Stimmung machen zu wollen, hier noch zwei Argumente, die eher dagegen sprechen könnten:
- Je nach dem persönlichen Tanzstil könnte es sein, dass zarter besaitete Personen nicht begeistert sind von dem, was sie gelegentlich zu sehen kriegen. Es liegt an einem selbst, ob man das als Problem empfinden will oder nicht; vielleicht setzt es das eigene Ansehen in der Szene ja auch eher herauf.
- Hygienischer und weniger arbeitsreich (Kiltwäscheverfahren siehe unten) ist die »nichtmilitärische« Trageweise allemal. Tatsächlich bestellen viele Verfechter des »militärischen« Stils bei ihrem Schneider extra lange Hemden, damit sie auch im Sitzen immer noch eine Schicht Baumwolle zwischen ihrem zarten Allerwertesten und der kratzig wollenen Innenseite des Kilts haben.
Zubehör
Zum Kilt gehört in jedem Fall auch noch der »Sporran«, das Ledertäschchen vor der Leistengegend. Da die meisten Kilts keine Taschen haben (Ausnahmen bestätigen die Regel), muss man irgendwo die Autoschlüssel, Taschentücher, Kleingeld usw. lassen, und dafür ist der Sporran gerade richtig (lange dünne Gegenstände wie Fächer, Lesebrillen, Besteck am Büffet und so weiter kann man auch in den Kniestrumpf schieben). Außerdem stellt er zweifelsfrei klar, dass es sich bei einer Person um einen »Schotten« im Kilt handelt und nicht um einen Mann in einem kurzen halbseitigen Faltenröckchen. Wie Kilts sind Sporrans unverschämt teuer – selbst einfache Modelle für tagsüber können 70-100 Euro kosten, und Exemplare mit Pelz und Silber für förmliche Anlässe ein Mehrfaches davon.
Weiteres Zubehör: Zunächst Kniestrümpfe, hierzulande im Jagd- oder bajuwarischen Trachtengeschäft zu erwerben, aus Wolle oder (wenn findbar, für heiße Sommer) Baumwolle. Mögliche Farben sind entweder »zum Kilt passend« (was einem auf dem deutschen Markt üblicherweise die Auswahl zwischen »graumeliert« und »jagdgrün« läßt) oder »hellbeige/altweiß«. Letztere Option ist nie falsch, erstere für förmlichere Anlässe ungeeignet; superförmliche Anlässe verlangen nach den irre teuren und schwer zu kriegenden Strümpfen mit Argyll-Muster (Schrägkaro) in den jeweiligen Kiltfarben. – Hilfreich im Zusammenhang mit den Strümpfen sind übrigens Gummibänder, die man sich am oberen Strumpfende (unter dem umgeschlagenen Strumpfrest) ums Bein schnallt, damit die Strümpfe vor allem beim Tanzen nicht rutschen; an diesen lassen sich »Fähnchen« aus den beim Kiltschneidern anfallenden Stoffresten anbringen, die sogenannten Flashes. (Gute Kiltmacher liefern die mit; ansonsten tun es auch einfarbige farblich passende Flashes.)
Optisch was her macht auch der »Sgian Dubh« (gesprochen »sskihn duh«), das Messer im Strumpf. Handelsübliche Sgian Dubhs sind außer zur Zierde zu nichts zu gebrauchen, da sie ihre Schärfe nicht behalten; ich würde trotzdem nicht versuchen, mit einem in ein Passagierflugzeug zu klettern. Es gibt sie entweder schlicht mit Holzgriff oder förmlich mit einem »Cairngorm«-Stein am Griffende.
Das klassische Schuhwerk zum Kilt sind die sogenannten »ghillie brogues«. Diese sehen eigentlich aus wie noble Lederschuhe (und sind entsprechend teuer), aber haben nicht wie diese eine »Zunge« unter den Schnürsenkeln, sondern die Schnürung geht einfach so über den Strumpf. (»Ghillies« waren im alten Schottland die Jagdhelfer, und die Theorie sagt, dass sie diese Sorte Schuh bevorzugten, weil das Moorwasser leichter herauslaufen kann. Dass das Moorwasser so natürlich auch leichter hineinlaufen kann, steht auf einem anderen Blatt.) Ghillie brogues sind neben dem sgian dubh der Bestandteil der Kiltgarderobe, auf die man bei engem Budget am ehesten verzichten kann; »normale« dem jeweiligen Anlass angemessene Schuhe tun es auch (und können im Gegensatz zu den ghillie brogues auch zu Hosen getragen werden), und als Tänzer braucht man feste Schuhe sowieso nur auf dem Weg vom Auto o.ä. in den Tanzsaal.
Für den Oberkörper
Das Schöne am Kilt ist, dass man ihn mit fast jeder Art von Oberbekleidung kombinieren und so denselben Kilt zu ganz verschiedenen Anlässen »ausführen« kann. Zu sportlichen Gelegenheiten tun es Hemd ohne Krawatte und ein Pullover; wenn Geld keine Rolle spielt, möchte man zumindest ein Tweedjackett für tagsüber und etwas Schwarzes für abends, etwa ein »Argyll Jacket« oder ein »Bonnie Prince Charlie«. Beide haben in ihrer förmlichen Ausführung Silberknöpfe und dezent militärisch inspirierte Details wie Schulterklappen; ersteres ist ein ansonsten recht einfaches Jackett, während letzteres vorne kürzer und weiter ausgeschnitten ist und hinten (relativ kurze) Schöße hat; eine Weste gehört dazu. Die nächste Stufe der Förmlichkeit sind dann die sogenannten »doublets«, hochgeschlossene zweireihige Jacketts für Rüschenkragen, die aber wahnwitzig teuer sind und von den meisten Tänzern als zu warm empfunden werden.
Zum Kilt sollte man übrigens kein gewöhnliches Sakko oder eine Anzugjacke tragen, da zu lang – das Kilt-Jackett sollte die Falten am Hintern des Trägers nicht bedecken. Wer sich kein fertiges Jackett leisten kann, kann allerdings oft ein existierendes (gebraucht gekauftes?) Stück ändern (lassen), so dass es zum Kilt passt.
Unter dem Jackett trägt man etwas dem Anlass Angemessenes, etwa ein gewöhnliches weißes Hemd zum Argyll Jacket oder ein Smokinghemd (mit verdeckter Knopfleiste und angedeuteten Ziehharmonikafalten) zum Bonnie Prince Charlie. Dasselbe gilt für den Halsschmuck; zum BPC gehört stilecht eine schwarze Fliege.
Es gilt im Wesentlichen die folgende Äquivalenztabelle:
Gewöhnlich | Schottisch |
---|---|
Anzug | Argyll Jacket + Kilt, Ledersporran |
Smoking (black tie) | Bonnie Prince Charlie + Kilt, Pelzsporran |
Frack (white tie) | Doublet + Kilt, Pelzsporran, Lackschuhe |
Kilt-Pflege
Das Angenehme am Kilt ist, dass er bei normalem Gebrauch ziemlich wenig Pflege braucht. Der Wollstoff ist ziemlich unempfindlich, und nach dem Tanzen lüftet man das gute Stück einfach aus. Alle paar Jahre oder Jahrzehnte könnte man auf die Idee kommen, dem Kilt eine Wäsche oder Reinigung angedeihen zu lassen. Hierzu ein paar Tipps (ohne Gewähr):
- Einen Reinigungsbetrieb für die chemische Reinigung sollte man sich sehr gründlich aussuchen. Viele lassen Kilts als »Faltenröcke« durchgehen, aber das Problem sind in der Regel die Leder- und Metallteile, die Schwierigkeiten verursachen können. Am besten hört man sich im eigenen Schotten-Umfeld um, wer wo welche Erfahrungen gemacht hat.
- Eine Kiltwäsche ist ein größeres Projekt. Am besten heftet man als erstes die Falten zusammen, so wie es war, als der Kilt vom Kiltmacher gekommen ist. Dann wäscht man ihn vorsichtig mit der Hand, am besten in der Badewanne mit Wollwaschmittel. Als nächstes kommt die Aufgabe, sieben Meter klatschnassen Wollstoff trocknen zu müssen. Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, den Kilt à la Bisquitrolle in ein großes Badehandtuch einzuwickeln (oder zwei) und damit auf dem Badezimmerboden hin und her zu rollen/balancieren, bis das meiste Wasser im Handtuch ist. Anschließend hängen wir den Kilt in Schlangenlinien an den Wäscheständer und warten. Das letzte Problem ist, die Falten wieder präzise hineinzukriegen; hier wird das Heften nützlich. Entweder bügelt man selbst (am besten durch ein Tuch, damit die Wolle keine glänzenden Stellen kriegt), oder man bringt den Kilt in die freundliche Nachbarschafts-Reinigung, um die Falten dort hineindämpfen zu lassen.
Zum Transport bieten die Kilthersteller übrigens spezielle (teure) Taschen an, in denen auch Sporran, Flashes, Strümpfe, … Platz finden. Ein Geheimtipp besteht darin, den Kilt einfach aufzurollen und ihn in einen Damen-Nylonstrumpf zu stecken (den man sich von irgendwo besorgt).
No-Nos
Zum Schluss noch ein paar Punkte, über die Kilt-Puristen die Nase rümpfen:
- Tartan-Krawatten trägt man, wenn man sonst nichts Kariertes an hat, aber seine Verbundenheit mit Schottland dokumentieren möchte. Ein Kilt sind schon sieben Meter Stoff, da sind eigentlich keine zusätzlichen Karos um den Hals nötig. Wer trotzdem lieber komplett durchgestylt ist, kann diese Regel natürlich gerne ignorieren, man sieht das heuer recht oft.
- Wenig kleidsam sind auch überlange Kilts, die bis aufs Schienbein reichen, am besten noch gekoppelt mit kurzen Tennissöckchen. Der Kilt sollte gerade an die Kniescheibe kommen, und die Kniestrümpfe (immer!) werden zumindest nach militärischem Usus eine Handbreit unter dem Knie umgeschlagen. Gewisse Partien des »Fahrgestells« bleiben also unbedeckt. – Ein Kilt kann übrigens eher zu kurz sein als zu lang, auch wenn es da natürlich ebenfalls Grenzen gibt.
Man muss das nicht so verbissen sehen; schließlich geht es vor allem darum, sich selbst zu gefallen, und außer bei den förmlichsten der förmlichen Anlässe wird man nicht weggeschickt, wenn man (bewusst oder unbewusst) gegen eine dieser ungeschriebenen Regeln verstößt.