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16. Mai 2023: Zytglogge!
Schottentänze sollten funktionieren wie präzise Schweizer
Uhrwerke. Odr? Wir widmen uns heute nicht nur der tänzerischen
Umsetzung dieser Maxime, sondern auch noch ein paar anderen Tänzen von
Kanada über Schottland bis Neuseeland.
Diese Woche fiel die Anwesenheit etwas ab – durch Urlaub, Krankheit
und andere Verhinderungen starteten wir “nur” mit zwei
Drei-Paar-Sets. Aber sei’s drum. Unser erster Tanz nach dem Aufwärmen
war mal wieder ein Ceilidh-Tanz, der Gay Gordons Two Step, von
dem an dieser Stelle schon die Rede war – wir halten es deshalb
kurz.
Danach dann eine Reihe von Schrittübungen, vornehmlich
Skip-Change-of-Step vorwärts und rückwärts. Für den
Skip-Change-of-Step rückwärts gilt im Grunde dasselbe wie bei der
Vorwärts-Version – Bein strecken, Füße ausdrehen und Schließen in der
dritten Position, bis darauf, dass der Fuß (logischerweise) von vorne
angesetzt wird statt von hinten. Und man muss natürlich dran denken,
dass der Richtungswechsel es nötig macht, vorauszudenken (siehe
1. Newtonsches
Gesetz) – um von einer Vorwärts- in eine Rückwärtsbewegung zu
wechseln, muss man für einen Sekundenbruchteil ausbalanciert in Ruhe
sein, sonst geht’s schief.
Anwenden können wir das Ganze gleich im nächsten Tanz, Knit the Pocky aus dem RSCDS-Buch 11 (zu deutsch “Strick
den Handschuh”). Hier kommt das Advance and Retire auf der
Diagonalen, man kann es also schön austanzen – und die anschließende
beidhändige Drehung erfolgt auch im Skip-Change-of-Step (selbst wenn
beidhändige Drehungen sonst in der Regel im pas de Basque getanzt
werden, an dieser Stelle wäre das doch ein wenig unbequem …). Über das
Down the Middle and Up für zwei Paare mit Führungswechsel haben wir
uns ja schon letzte Woche ausgelassen.
Wenn man Advance and Retire tanzen kann, kann man eigentlich auch
Back to Back tanzen (oder wie die Kolleg:inn:en vom Square Dance
sagen würde, “do-si-do”). Wichtig ist hier: Ein großer Schritt vor,
ein kleiner (unbequemer) nach rechts um die andere Person herum und
dann zwei nicht ganz so große Schritte zurück in die eigene Linie. Vor
allem Schritt 2 ist tückisch, da er eigentlich mit dem linken Fuß
angesetzt wird, aber nach rechts geht. Ebenfalls zu beachten ist, dass
der Zwischenraum zwischen dem eigenen Rücken und dem der anderen
Person nicht zu groß werden sollte – ein Zusammenstoß ist natürlich zu
vermeiden, aber es sollte auch keine Lücke entstehen, durch die der
Tanzlehrer mit dem E-Scooter fahren könnte. Der Tanz, mit dem wir
diese Figur üben, heißt Come What May und wurde am 1. Mai 2010
von Romaine Butterfield aus Neuseeland verfasst (wir
verdanken ihr auch andere beliebte Tänze wie etwa Catch the Wind). Zu finden ist er im Buch 51 der RSCDS.
Saint John River beiFredericton, NB (“Treeman”, Public Domain)
Auch wenn von den üblichen Anfänger:inne:n heute niemand zugegen war,
lassen wir dennoch die Gelegenheit nicht aus, etwas Strathspey
Travelling Step zu üben. Wir tanzen The Saint John River von
Prudence Edwards, aus der New Brunswick Collection (unter
anderem). Der Saint
John River ist der längste Fluss im Osten Kanadas; er entspringt im
Norden des US-Bundesstaats Maine, fließt vor allem durch die
kanadischen Provinzen Quebec und New Brunswick und mündet nach 673 km
in die Bay of Fundy. – Der Tanz stellt in seinen ersten acht Takten
den Beginn des Flusses als schnell fließender Bach dar; Takte 9–16
beschreiben bridges and pools. Die Takte 17–25 illustrieren ein
interessantes
Phänomen: Durch den
Gezeitenhub in der Bay of Fundy kehrt sich die Strömung des Saint John
River im Mündungsbereich abhängig von der Tide um, so dass es bei Ebbe
und Flut Stromschnellen gibt, die aber jeweils in entgegengesetzte Richtung
verlaufen. Die letzten acht Takte schließlich zeigen die Mündung des
Flusses ins Meer. Getanzt haben wir übrigens auf die geniale Musik von Hanneke Cassel und Dave Wiesler.
Zytglogge, Bern, CH (“Sailko”, CC BY 3.0)
Nach der Pause war eigentlich Schiehallion eingeplant – ein
etwas größeres und anspruchsvolleres Projekt, mit Blick auf den Bonner
Ball aber sicherlich sinnvoll. Weil jedoch ein großer Teil der
Zielgruppe fehlt, gehen wir über zu Plan B: Zytglogge von
Terry Blackburn verdutzt nicht nur durch den unschottischen Namen –
hierzu gleich mehr –, sondern auch durch die trickreiche Figur in den
mittleren 16 Takten, eine Art rotierende Corners’ Chain. Der Tanz
stammt aus der Collecta Ursis des Berne Scottish Country
Dance Club, und entsprechend dient als Namensgeber auch der berühmte
Uhrturm in der Mitte von Bern, die “Zytglogge” oder “Zeitglocke” mit
ihrer astronomischen Uhr, dem Glockenspiel und den sich bewegenden
Figuren.
Zweiter Teil des Plans B ist der Tanz Up and Down Ben Nevis,
ein leicht ungewöhnlicher echter 3-Paar-Strathspey von M. Ross,
veröffentlicht in der Diamond Jubilee Collection der RSCDS-Inverness-Branch.
Der Ben Nevis ist mit
einer Höhe von 1345 m über NN der höchste Berg nicht nur Schottlands,
sondern der britischen Inseln insgesamt; er steht am westlichen Ende
des Grampian-Gebirges in der Region Lochaber, nahe der Stadt Fort
William. Der Berg ist ein populäres Ziel für Wanderer und
Bergsteiger. Wie viele schottische Berge ist er trotz seiner im
Vergleich zu etwa den Alpen gering scheinenden Höhe nicht zu
unterschätzen, da eine Besteigung praktisch auf Meeresniveau anfängt
und wegen der Nähe zur See immer mit drastischen Wetterstürzen zu
rechnen ist.
Die Falls of Rogie (oder
auch nur “Rogie Falls”) finden sich in den Highlands, in der Nähe des
Örtchens Contin (Wohnsitz des
Runrig-Perkussionisten und
-Songschreibers Calum MacDonald) nordwestlich von Inverness. Sie sind
nahe der A835-Straße und gut zu erreichen und deshalb eine beliebte
Touristenattraktion. – Der gleichnamige Tanz stammt von Jean Attwood und ist ein Reel, der
gerne auf Ballprogrammen erscheint, etwa auch in Bonn, weswegen wir
ihn noch einmal wiederholen (wir haben ihn zuletzt im
September 2022 getanzt). Seine Beliebtheit ist aber
mit Sicherheit nicht unverdient und er bildet deshalb einen würdigen
Abschluss des heutigen Tanzabends!