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16. April 2024: Sakura

Nicht nur in Japan blühen die Kirschbäume. Wir feiern diesen Anlass mit einem bunten Strauß von Tänzen aus dem “Land der aufgehenden Sonne” in einem etwas improvisierten Programm. Als Zugabe ist auch noch ein Tanz vom Karlsruher Ballprogramm dabei.

Eigentlich hatte ich ja mit ein paar Anfänger:inne:n gerechnet, die ich im März auf “nach den Osterferien” vertröstet hatte. Aber die haben den Termin anscheinend entweder vergessen oder doch etwas Besseres mit ihrer Zeit zu tun gefunden. Vermutlich kommen sie nächste Woche zum Rhein-Main-Mini-Social, wo wir nichts für sie tun können … aber naja. Also zum Plan B. Ich wollte im zweiten Teil ein paar Tänze aus Japan unterrichten, also machen wir für die Gekommenen (größtenteils Fortgeschrittene oder zumindest Nicht-mehr-ganz-Anfänger:inne:n) mehr davon.

Los geht’s nach der obligatorischen Aufwärmrunde mit Jubilee Stars von Shigeyoshi “Kobby” Kobayashi, aus der – jahreszeitlich passenden – Sammlung Kobby's New Dances for Cherry Blossom Time. Laut Kobby stellt der Tanz eine weniger anspruchsvolle Alternative zu John Drewrys Five Stars dar, ist aber trotzdem “nicht ohne”. Als zweiten Bezug zum großen Tanz-Erfinder aus Aberdeen greift er in den Takten 9–24 eine Figur aus dem Drewry-Tanz The Recumbent Stone auf. Wir tanzen den Tanz zweimal, und obwohl er stellenweise etwas “holpert”, finden wir doch, dass er sicher gut funktionieren sollte, wenn wir ihn nur noch ein bisschen übten …

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Nicht aus Japan, sondern aus San Francisco stammt der Tanz Ecclefechan Feline von Bob McMurtry (wir haben ihn vom Karlsruher Ballprogramm vom 4. Mai). Im Vergleich zum vorigen Tanz ist er schon ein Stück einfacher und eignet sich sicher zum Üben von Reels of three. Der etwas zungenbrecherische Name verweist auf den Ort Ecclefechan im Südwesten von Schottland (unweit des am 13. Februar beschriebenen Gretna Green). Ecclefechan, gälisch Eaglais Fheichein, wird 1507 als Egilfeichane erwähnt, aber der Name ist eigentlich brythonisch und verwandt mit den walisischen Eglwysfach und Llanfechan; die Wurzel eglẹ:s steht für “Kirche” (siehe auch das französische eglise) und fechan kommt von “klein”. Die kleine Gemeinde (weniger als 1000 Einwohner:innen) in der traditionellen Grafschaft Dumfriesshire ist bekannt als Geburtsort des großen Historikers, Philosophen und Essayisten Thomas Carlyle und als Heimat der “Ecclefechan Tart”, eines Kleingebäcks, das in direkter Konkurrenz zu den aus der britischen Weihnachtszeit nicht wegdenkbaren mince pies steht (und wie diese natürlich kein Fleisch enthält). Was es mit dem Katzentier aus Ecclefechan auf sich hat, nach dem der Tanz benannt wurde, bleibt allerdings schleierhaft.

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Zurück in den fernen Osten: Celebrate Ten and Twenty Years von Yoko Takahashi feiert gleichzeitig das 10. Jubiläum der Tanzgruppe “Saltire” und das 20. der Tanzgruppe “Clara”, beide gegründet von der Erfinderin des Tanzes. Der Tanz kommt zu uns über das RSCDS Tokai 25th Anniversary Book, aus dem wir schon letztes Jahr um diese Zeit einige Tänze ausprobiert haben – mit der abwechslungsreichen Musik des Bluebell-Trios (ebenfalls aus Japan). Wir können hier auf Figuren wie den Tourbillon zurückgreifen, die wir vor den Ferien für den Ball geübt haben, und alles in allem ist es ein nicht allzu schwieriger Strathspey in einem Drei-Paar-Längsset.

Nissaka-shuku, die 25. Etappe auf dem Tōkaidō
Nissaka-shuku, die 25. Etappe auf dem Tōkaidō (Hiroshige, gemeinfrei)
Offiziell ist Tōkai eine Gegend in Japan an der Pazifikküste westlich von Tokio – der Name kommt vom Tōkaidō, der traditionellen ”östlichen Meerstraße”, die von Kyoto nach Edo (dem heutigen Tokio) führte. Die Reise auf dem Tōkaidō – zumeist zu Fuß oder in einer Sänfte – war in Japan ein beliebtes Thema in Literatur und Kunst, und sie wurde unsterblich verewigt in den 53 Etappen des Tōkaidō, einer Holzschnittserie des genialen Hiroshige (1797–1858), die ungeheuer populär war und zum Beispiel Van Gogh inspirierte. Hauptort des Tōkai ist die Industriestadt Nagoya, mit ihrer Metropolregion die drittgrößte Agglomeration in Japan und Sitz von wichtigen Firmen (Brother, Lexus, …) und Universitäten. Tanzmäßig hat die RSCDS Tokai Branch allerdings auch starke Bezüge nach Tokio, so dass sie eine Art Gegenpol zur RSCDS Tokyo Branch darstellt (Politik …).

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Ebenfalls aus dem Tokai-Branch-Jubiläumsbuch kommt Peatys Jig von Shiho Masaka – benannt nach “Peatys”, einer Tanzgruppe im Tokioter Stadtteil Gotanda mit anscheinend einer (in Japan nicht unüblichen) Affinität zum schottischen Nationalgetränk. Wir sind vielleicht nicht zu 100% überzeugt von den Takten 9 bis 16, aber ansonsten ist es ein schwungvoller und überschaubar komplizierter Tanz zu sehr hübscher Musik.

Gotanda war bis in die Meiji-Zeit im späten 19. Jahrhundert ein ländliches Reisanbaugebiet und wurde erst in den 1910er und 1920er Jahren urbanisiert. Neben Restaurants und anderen Institutionen des Nachtlebens siedelte sich auch Industrie an. Nach dem zweiten Weltkrieg entwickelten einige Teile von Gotanda eine eher zweifelhafte Reputation, aber nachdem in den 1970er Jahren die Fabriken zu schließen begonnen hatten, wurde das Viertel Anfang des neuen Jahrtausends neu entwickelt und gilt heute als beliebter Ort zum Beispiel für IT-Startups, da es ÖPNV-mäßig gut erschlossen ist und die Mieten für Tokioter Verhältnisse vergleichsweise niedrig liegen.

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Die Jahreszeit greifen wir nach der Pause endgültig auf mit Iain Boyds Strathspey Cherry Blossoms, erfunden nach seiner und Noeline O'Connors Hochzeitsreise nach Tokio und veröffentlich nicht nur in Iains The World Around The Corner, sondern auch der japanischen Sammlung To Be A Wind, die das 25-jährige Bestehen des Tokyo Scottish Bluebell Club feiert. Der Tanz war ursprünglich als Zwei-Paar-Tanz in einem Vier-Paar-Set konzipiert, aber es gibt eine von “Marchan” (Masako Okada Naitō) adaptierte und von Iain Boyd offiziell gutgeheißene Vier-Paar-Version, die wir heute abend tanzen – nicht zuletzt weil die Musik von Fred Moyes nur viermal durch ist … (Wer’s wissen will: Die oberen beiden und die unteren beiden Paare tanzen parallel die Takte 1–28 des Tanzes. Am Ende von Takt 28 treffen sich das erste und das dritte Paar jeweils in Promenadenfassung, das erste Paar schaut Richtung Damenseite und das dritte Richtung Herrenseite. Sie haben dann 4 Takte Zeit, um in den vierten bzw. zweiten Platz zu tanzen, während die anderen beiden Paare das Bourrel wie gehabt zu Ende tanzen.)

Hanami im Ueno-Park, Tokio
Hanami im Ueno-Park, Tokio (Arisdp, CC BY-SA 4.0)
Die Kirschblüte ist für Japaner:innen ein extrem wichtiges kulturelles Symbol für die Vergänglichkeit des Lebens und alljährlich Quelle der allgemeinen Verzückung, wenn die Blütenpracht im Frühling in einer Welle die japanischen Inseln von Süd nach Nord durchläuft. Hanami (花見), das “Blumen-Anschauen“, ist Anlass für fröhliche Picknicks bei Tag oder Nacht in der Zeit von Ende März bis Anfang Mai und bedarf sorgfältiger Planung, da die Kirschblüte an jedem Ort nur eine oder zwei Wochen andauert. In der fraglichen Zeit gehört die Kirschblütenprognose zur offiziellen Vorhersage der Japan Meteorological Agency. Sollte man die Kirschblüte verpassen, kann man sich immer noch der Pflaumenblüte widmen, deren Feier auch als etwas gesetzter gilt und mit der das Phänomen in der Nara-Zeit (8. Jhdt.) seinen Anfang nahm; die Kirsche gewann einige Jahrhunderte später die Oberhand und ist heute der Inbegriff der “Blume” jedenfalls für die Zwecke des hanami. Zunächst war hanami ein Zeitvertreib für den kaiserlichen Hof, später für den Samurai-Adel, und in der Edo-Zeit (17.–19. Jhdt.) schließlich auch fürs gemeine Volk. Kein Wunder, dass der Tanz Cherry Blossoms als Musik quasi zwangsläufig auf Sakura Sakura (“Kirschblüte, Kirschblüte”) zurückgreift, eine pentatonische Melodie, deren Bekanntheit in Japan höchstens mit der von Alle meine Entchen in Deutschland zu vergleichen ist. Ob sie sich uneingeschränkt zum schottischen Tanzen eignet, bleibe mal dahingestellt, aber es ist auf jeden Fall eine Abwechslung.

(An dieser Stelle vielen Dank an Yulia Nedogreeva für den Vorschlag, Cherry Blossoms zu unterrichten.)

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Wir beschließen den Abend mit einem weiteren Tanz von “Kobby” Kobayashi, Pink Panda's Picnic. Dies ist ein echter Vierpaar-Tanz – Paare 3 und 4 beginnen auf der anderen Seite – und teilt sich seine Musik, ebenso zwangsläufig wie beim vorigen Tanz Teddy Bears' Picnic von John W Bratton (1867–1947) und auch kein archetypisches Schottentanz-Stück, mit immerhin 10 anderen Tänzen. Pandabär-Tänze gibt es ein paar im Repertoire; vielleicht tanzen wir ja auch mal wieder Sunshine and Sweetie's Jig, auch wenn die possierlichen schwarzweißen Tiere aus dem Edinburgher Zoo inzwischen nach China zurückgekehrt sind.

#NameTypeSetSource
1Jubilee StarsR405/5LKobayashi: Kobby's New Cherry Blossom Dances
2Ecclefechan FelineJ323/4LMcMurtry: Petit Chat
3Celebrate Ten and Twenty YearsS323/3LTakahashi: Clara 20th & Saltire 10th
4Peatys JigJ323/4LMasaka: Tokai 25th Anniversary
5Cherry BlossomsS322/4LBoyd: World .. Corner
6Pink Panda's PicnicJ324/4LKobayashi: Kobby's New Cherry Blossom Dances

Text: Anselm Lingnau · Fotos: wie angegeben